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Der nach dem Tode des Vaters geborene Karolingersproß erhielt den Namen des kaiserlichen Großvaters Karl des Kahlen. Der damit bekundete Legitimitätsanspruch galt jedoch als zweifelhaft, denn Ludwig der Stammler hatte sich nach der Trennung von seiner|1. Gemahlin Ansgard (der Mutter Ludwigs III. u. Karlmanns) zu deren Lebzeiten mit Adelheid vermählt. Von eigener Regierungsfähigkeit ohnehin noch weit entfernt, wurde K. daher 879 und 884 bei der Regelung der westfränkischen Erbfolge übergangen. Auch nach dem Tode des Kaisers Karl III. (888), als die Nachfolge abermals offen war, verlautet nichts von Bemühungen um eine Erhebung K., vielmehr setzte sich, mit nachträglicher Anerkennung durch den ostfränkischen Karolinger Arnulf, der Robertiner Odo von Paris als westfränkischer König durch. Dieser betrieb eine robuste Ämter-, Besitz- und Familienpolitik, rief damit aber eine vielfältige Gegnerschaft auf den Plan, deren Programm die Rückkehr zur karolingischen Legitimität wurde. EB Fulko von Reims und Graf Heribert I. von Soissons ergriffen die Führung und riefen K. zum König aus; am 28.1.893 wurde er in Reims von Fulko gekrönt. Weitere Großvasallen schlossen sich ihm an, König Arnulf nahm K. durch Fulkos Vermittlung im Mai 894 in Worms auf und erkannte ihn durch Belehnung an, aber im Kampf mit Odo geriet K. bald in hoffnungslose Unterlegenheit, so daß er zeitweilig gar ein Bündnis mit den Normannen erwog. Nachdem Arnulf im Mai 895, wiederum in Worms, Odo empfangen hatte, bedeutete es nicht mehr viel, daß Arnulfs eben in Lotharingien eingesetzter Sohn Zwentibold im Sommer des gleichen Jahres für K. in einen Kampf um Laon eingriff; er mußte bald wieder abziehen. K. Anhänger wandten sich wieder Odo zu – auch Heribert, der 896 die Grafschaft Vermandois gewann († 900/07), schließlich auch Fulko von Reims – so daß K. nach Lotharingien ausweichen mußte, wo er sich, etwa im Februar 896 und wieder in Begleitung Fulkos, in dem Vogesenkloster Remiremont mit dem italischen Kaiser Lambert und dem burgundischen König Rudolf I. traf und dann wieder am 25.7.896 in Gondreville (bei Toul) urkundete. Offensichtlich abermals durch Fulkos Vermittlung kam 897 ein Ausgleich zustande, indem K. sich bei Odo einfand und ihn als König anerkannte; er wurde dafür mit „einem Teil des väterlichen regnum “ ausgestattet – hier ist an den Reimser Raum, etwa Laon zu denken, um das sich im 10. Jahrhundert der karolingische Besitz gruppierte – und von Odo, der keinen Sohn hatte, zum Nachfolger designiert.
Nach dem Tode Odos (1.1.898) wurde K. in der Tat auf einer Reichsversammlung in Reims mit allgemeiner Zustimmung zum König erhoben. Die bis dahin, soweit sich nach dem Überlieferungsstande urteilen läßt, sehr spärliche Urkundenausstellung wird jetzt kontinuierlich, mit doppelter Zählung der Königsjahre: von 893 und, mit dem Vermerk redintegrante, von 898 an. Neben im ganzen 110 bekannten Diplomen K. sind 13 Deperdita ermittelt worden. K. Erzkanzler – wenn auch nur gelegentlich mit dem ausdrücklichen Titel archicancellarius – wurde zunächst EB Fulko von Reims, unter dem der aus dem Dienste Odos übernommene Notar Herivaeus das Urkundengeschäft besorgte. Dieser folgte 900 auf Fulko als Erzbischof, während die nominelle Leitung der Kanzlei dem Bischof Ascherik von Paris und erst nach dessen Tod (910) dem EB Herivaeus zufiel.
Es verwundert, daß die Robertiner selber 897/98 die Hand zur erneuten karolingischen Restauration liehen, denn der söhnelose Odo hatte einen sehr aktiven Bruder Robert, den er mit seinen bisherigen Grafschaften ausgestattet und als marchio in Neustrien eingesetzt hatte. Man darf ihnen vielleicht die Berechnung unterstellen, daß die Abschirmung durch ein sozusagen neutrales Königtum den weiteren Ausbau ihrer Hausmacht in Rivalität mit den anderen Magnaten eher erleichtern würde. Jedenfalls nahm K. es hin, daß das bedeutende weltliche und geistliche Königsgut des Pariser Raumes nicht etwa ihm selber heimfiel, sondern an Robert überging. K. duldete und sanktionierte in solcher Weise die – vorerst freilich noch fluktuierende – Ausformung starker Mittelgewalten, der großen französischen Lehnsfürstentümer. Unmittelbare Hoheit über die Grafen und die Bischofskirchen behielt der karolingische König nur in der östlichen Francia zwischen Seine und Maas. Diese Schrumpfung der Königsgewalt war jedoch mit einer relativen Stabilisierung verbunden, durch die K. einen allmählich bedeutender werdenden Aktionsspielraum gewann. Seine besondere Aufmerksamkeit richtete sich sogleich auf Lotharingien. Schon 898 folgte er einer Aufforderung des Haspen- und Hennegaugrafen Reginar und anderer mit Zwentibold überworfener Großen: er drang über Aachen bis Nimwegen vor, traf in der Gegend von Prüm auf Zwentibold, zog aber ohne Kampf wieder ab. Eine Zusammenkunft in Sankt Goar, an der – in Abwesenheit Zwentibolds – auch Beauftragte K. teilnahmen, stellte 899 den Frieden wieder her, bereitete aber auch den Rückfall Lotharingiens an Ostfranken vor, der im Jahre darauf realisiert wurde; K. Griff nach der Stammheimat seiner Dynastie war mißlungen.
Über das nächste Jahrzehnt sind wir im einzelnen wenig unterrichtet. Die Urkunden|weisen den König weiterhin im nördlichen Westfranken nach und vermitteln den Gesamteindruck relativer Stetigkeit. Die Geschicke des Westreiches blieben noch immer von der Wikingerfrage überschattet, doch sind als markante Ereignisse nur ein Überfall auf Tours (903) und ein Raubzug nach Burgund (910) bekannt. Mit der gebotenen Vorsicht darf aus dem Mangel an sonstigen Nachrichten und aus dem folgenden Geschehen auf eine gewisse Beruhigung, auf eine Konsolidierung der Abwehr geschlossen werden, aber ein persönlicher Anteil K. läßt sich dabei nicht ausmachen. Dann aber brachte das Jahr 911 einschneidende Wendungen. Ein großes Aufgebot westfränkischer Fürsten – von K. selber ist auch jetzt nicht die Rede – entsetzte die von den Seine-Normannen bedrängte Stadt Chartres und brachte ihnen schwere Verluste bei. Ihr Anführer Rollo fand sich nun bereit, die Taufe zu nehmen und seine Herrschaft mitsamt der normannischen Landnahme durch den Eintritt in den fränkischen Reichsverband legalisieren zu lassen. Mit K. ging er (ungesicherter, aber nicht schlechthin unglaubwürdiger späterer Tradition zufolge in Saint-Clair-sur-Epte) ein „Bündnis“ ein und übernahm als Graf von Rouen den Schutz der nördlichen Reichslande. Für Westfranken war damit das Zeitalter der Wikingereinfälle zu Ende, war der Grund gelegt zu einem neuen künftigen Lehnsfürstentum. Noch stärkere unmittelbare Tragweite kam dem Umschwung zu, der sich gleichzeitig in Lotharingien einspielte. Seit der Rückgliederung dieses Landes an Ostfranken (900) hatte hier ein leidliches Einvernehmen zwischen Reginar als dem mächtigsten einheimischen Magnaten und dem von der karolingischen Regierung Ludwigs des Kindes bestellten konradinischen Amtsherzog Gebhard vorgehalten. Dieser aber war 910 im Ungarnkampf gefallen, und Reginars Verhältnis zu dem weiterhin konradinisch beeinflußten ostfränkischen Königshof scheint sich dann sehr zugespitzt zu haben. Vielleicht schon im Sommer 911, jedenfalls aber als sich nach dem Tode Ludwigs des Kindes und dem Aussterben der östlichen Karolingerlinie (24.9.911) die Königswahl des Konradiners Konrad I. abzeichnete (die dann gegen den 10.11. in Forchheim erfolgte), wiederholte der lotharingische Adel, fraglos wieder unter der Führung Reginars, den Schritt von 898 und rief K. ins Land. Zum 1.11.911 läßt eine beiläufige annalistische Notiz die Herrschaft des westlichen – nunmehr einzigen – Karolingers in den Ländern um Maas und Mosel beginnen.
Ob bei dieser Schwenkung Reginars und seiner Anhänger tatsächlich oder nur scheinbar ein karolingischer Legitimismus im Spiel war, steht dahin, K. selber aber berief sich mit Nachdruck auf sein Erbrecht an dem fränkisch-karolingischen Kernland um Metz und Aachen. Vom 20.12.911 an begegnet in seinen Urkunden als drittes Datierungselement die Zählung largiore hereditate indepta, und während die karolingischen Teilkönige sich seit langem mit der einfachen Bezeichnung rex begnügt hatten, griff K. nunmehr, wenn auch noch nicht regelmäßig, auf den alten vollen Titel rex Francorum zurück, den seine Nachfolger dann beibehalten haben. Dieser Kanzleistil hat auf seine Art dazu beigetragen, daß der Frankenname endgültig mit dem Westreich verbunden geblieben ist.
Am 1.1.912 urkundete K. in Metz. In Lotharingien, vor allem in altkarolingischen Pfalzen wie Diedenhofen und Herstal, nahm er seither oft, sogar mit Vorzug, Residenz; er ist 912, 913, 915, 916, 919 jeweils für längere Zeit im Lande nachzuweisen. Für Konrad I. bedeutete der Verlust der Maas- und Mosellande über den politischen Rückschlag hinaus eine schwere Einbuße an Besitz- und Machtpositionen seiner Familie, aber nach 3 erfolglosen Vorstößen über den Rhein (912 u. 913) mußte er sich mit der veränderten Lage abfinden. Dem Grafen Reginar gewährte K. den Rang eines marchio und erkannte ihn somit als einen seiner großen Lehnsfürsten an. Aber auch Reginars Widersacher, EB Ratbod von Trier, zog er als Erzkapellan an sich und räumte ihm das Vorrecht ein, neben der weiterhin dem Reimser EB Herivaeus unterstehenden Königskanzlei als archicancellarius die lotharingische Sonderkanzlei fortzuführen, die bis in die Zeiten Zwentibolds zurückreichte und sich auch unter Ludwig dem Kinde behauptet hatte. Diese relative Harmonie und Stabilität hielt jedoch nicht vor. Unverkennbar gedachte K. Lotharingien zu jener Bastion direkter Königsherrschaft auszubauen, die ihm im Westreich fehlte, um sich stärker als bisher gegen die Lehnsfürsten durchzusetzen. Ratbod und Reginar starben 915. Der neue EB Ruotger von Trier behielt den Titel des summus concellarius, aber das Urkundengeschäft blieb, ohne Trierer Sonderkanzlei, auf die Königskanzlei konzentriert. Dem Sohn Reginars, Giselbert, verweigerte K. die Fortsetzung oder gar Ausweitung einer herzoglichen Gewalt. Statt dessen begegnet in K. Umgebung seit dieser Zeit ein lotharingischer fidelis namens Hagano, vielleicht ein Verwandter der Königin Frederun, aber nicht selber fürstlichen Ranges, dessen Erhebung zum Grafen, dessen steigender Einfluß als Berater des Königs den Zorn des lotharingischen und erst recht des westfränkischen Hochadels wachrief. Überdies verschoben sich die bisherigen Spannungen und Beziehungen 918/19 durch den Tod Konrads I. und den Übergang der ostfränkischen Königswürde an den sächsischen Liudolfinger Heinrich I., der, anders als die Konradiner, in keiner Weise mit der lotharingischen Aristokratie unter der Führung Giselberts verfeindet war.
Der Gegensatz führte dazu, daß K. 919 durch einen Spruch des Hofgerichts die Abtei Maastricht Giselbert entzog und sie dem getreuen EB Ruotger von Trier übertrug, der seither allein als Erzkanzler K. genannt wird. Der Unmut über Hagano, dessen Entlassung K. auf einer Reichsversammlung in Soissons verweigerte, löste dann 920 einen allgemeinen Abfall von K. aus; Giselbert ließ sich von lotharingischen Anhängern bereits zum selbständigen princeps ausrufen. Doch ging die Krise vorüber, indem EB Herivaeus von Reims K. in seinen Schutz nahm und nach 7 Monaten einen Ausgleich zustande brachte. Auch bei einer Machtprobe um die Besetzung des Bistums Lüttich vermochte K. 920/21 seinen Kandidaten gegen die Pläne Giselberts durchzusetzen. Dieser Streit zog weite Kreise: Papst Johann X. erklärte in einem Schreiben (das dann, losgelöst vom Anlaß, als Ausdruck frühmittelalterlichen Rechtsdenkens Berühmtheit gewonnen hat), niemanden als dem König (das heißt nicht etwa einem Herzog) stehe die Vergabe eines Bistums zu. Dieses Schreiben war an den EB Hermann I. von Köln gerichtet, der auf Geheiß Heinrichs I. als Metropolit den Lütticher Kandidaten Giselberts geweiht hatte. Der neue ostfränkische König sächsischen Stammes hatte also im Zusammengehen mit Giselbert, in offenem Gegensatze zu K., in die lotharingischen Dinge eingegriffen – die Wiederherstellung des Ostfränkischen Reiches im alten Umfang zeichnet sich als sein politisches Ziel ab. K. dagegen, wieder fest im Sattel, wagte im September 920 einen Vorstoß in den Wormsgau, wohl in der Absicht, die linksrheinische Ausbuchtung Ostfrankens um Mainz in seine Herrschaft einzubeziehen, mußte aber ohne Erfolg wieder abziehen. Durch weitere Widerstände in Lotharingien behindert, vereinbarte er mit Heinrich I. einen Waffenstillstand bis zum Martinitag 921. Vor Ablauf dieser Frist trafen sich die beiden Könige auf einem Rheinschiff bei Bonn und schlossen am 7.11.921 einen (im Wortlaut erhaltenen) Vertrag, durch den der rex Francorum occidentalium und der rex Francorum orientalium mit stattlichem beiderseitigem Gefolge einander Anerkennung und Freundschaft zusagten. Auf weiteres Eingreifen in Lotharingien hatte Heinrich damit verzichtet.
K. mochte glauben, nunmehr freie Hand zu haben. Er stattete Hagano mit dem karolingischen Hauskloster Chelles (bei Meaux) aus und entzog es seiner Tante Rothild, einer Tochter Karls des Kahlen. Hugo (der spätere Herzog von Francien), der Sohn Roberts von Neustrien und Schwiegersohn Rothilds, gab daraufhin das Signal zu einem allgemeinen Aufstand gegen K.; auch Giselbert beteiligte sich daran, doch hatte K. unter den Lotharienses noch die zuverlässigsten Getreuen. Robert wurde am 30.6.922 in Reims zum König erhoben und, wie vor Jahren sein Bruder Odo, vom EB Walter von Sens gekrönt. EB Herivaeus von Reims starb 3 Tage darauf. Es kam zu hin und her wogenden Kämpfen in Westfranken und Lotharingien. In einem Gefecht bei Soissons fand König Robert I. am 15.6.923 den Tod, aber K., der sich auch bei den Normannen und angeblich bei Heinrich um Hilfe bemüht hatte, wurde geschlagen. Seine Gegner riefen Rudolf von Burgund, den Sohn Richards und Schwiegersohn des gefallenen Robert, zum neuen König aus; er wurde am 23.7.923 in Soissons gekrönt, wiederum vom EB Walter von Sens. K., dessen letzte auf uns gekommene Urkunde vom 29.7.923 aus Compiègne datiert ist, wurde von dem Grafen Heribert II. von Vermandois zu Verhandlungen nach Saint-Quentin gelockt, gefangengenommen und nach Château-Thierry, im nächsten Jahre nach Péronne in Haft gegeben. Die Königin Eadgifu-Ogiva flüchtete mit ihrem Sohn Ludwig (IV.) nach England.
Der Sturz K. beendete den letzten, ohnehin nur schwachen Anlauf zu karolingischer Hegemonialpolitik und machte den Weg frei für die Rückgliederung des gewissermaßen herrenlos gewordenen Lotharingien an Ostfranken, wie sie im Zusammenspiel Giselberts und Heinrichs I. 923/25 realisiert wurde und das Deutsche Reich des Mittelalters abgerundet hat. Auch als Stammvater einer neuen und letzten, nur noch westlichen Karolingerlinie steht K. an einer Wegscheide französischer und deutscher Geschichte, aber der nicht eben ruhmvolle Ausgang seiner Herrschaft und Regierung scheint sein Andenken in seltsamer Weise belastet zu haben. Der Fortsetzer Reginos (Adalbert, um 960) nennt ihn einen vir hebetis ingenii, bei Thietmar von Merseburg (um 1010) heißt er gar ab incolis Karl Sot id est stolidus ironice dictus, kurz vor 1000 liest man in den Miracula s. Apri aus Toul erstmals a suis cognominatus simplex, was seither häufig belegt ist, möglicherweise aber ursprünglich soviel wie „schlicht, gutmütig“ bedeuten sollte, zumal Richer, gleichfalls kurz vor 1000, sich in solchem Sinne ausdrückt (ingenio bono simplicique). Die Bezeichnung „Charles le Simple, K. der Einfältige“ ist üblich geworden, wird in der Wissenschaft jedoch nur mit Vorbehalt verwandt. [3]
Genealogie-Mittelalter Karl III. der Einfältige
König von Frankreich (893-929)
17.9.879-7.10.929 Peronne Begraben: Kirche St-Fursy/Peronne
Einziger und nachgeborener Sohn des Königs Ludwig II. der Stammler von Frankreich aus seiner 2. Ehe mit der Adelheid, Tochter von Graf Adalhard
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 966, Karl III. der Einfältige, westfränkischer König 893/98-923
* 17. September 879, + 7. Oktober 929 Peronne Begraben: St-Fursy/Peronne
Als Postumus nach Ludwigs II. Tode aus dessen in ihrer Legitimität angefochtenen zweiten Ehe wurde Karl der Einfältige bei den Nachfolgeregelungen im westfränkischen Reich 879-888 übergangen. Gegen den robertinischen König Odo wählte eine Adelspartei um Erzbischof Fulco von Reims und Graf Heribert I. Karl den Einfältigen am 28. Januar 893 (Todestag KARLS DES GROSSEN) in Reims zum König. Trotz zeitweiliger Anerkennung durch ARNULF von Kärnten konnte sich Karl III. erst nach Odos Tod 898 durchsetzen. Die Herrschaftskontinuität blieb durch Übernahme von Odos Kanzler Heriveus gewahrt, aber Karl der Einfältige mußte eine erhebliche Schmälerung königlicher Macht hinnehmen. Wichtige königliche Güter waren an Odos Bruder, Robert von Neustrien, gelangt; in den regna übte Karl der Einfältige nur noch über Stellvertreter, vornehme Adlige, die als marchiones über die Grafschaften traten (Neustrien, Burgund, Aquitanien, Lotharingien), Herrschaft aus. In dieses, das Reich stabilisierende Miteinander von König und Fürsten konnte 911 auch ein Normannenverband unter Rollo integriert werden.
Einen Ersatz für den Machtverlust schien Karl der Einfältige in Lotharingien, der karolingischen Stammlandschaft, zu finden. Nach erstem Scheitern 898 gelang 911, beim Tod des letzten ostfränkischen KAROLINGERS, Ludwig IV., die Eroberung, gesichert durch enge Bindungen zum lothringischen Adel. Als jetzt einziger karolingischer König griff Karl III. der Einfältige gezielt auf die legitimierende Kraft fränkischer Tradition zurück. Seite dem Erwerb Lotharingiens nannte er sich wie die frühen KAROLINGER in den Urkunden 'rex Francorum' und 'vir illuster' und ahmte Monogramm und Siegel KARLS DES GROSSEN und KARLS DES KAHLEN nach. Der übersteigerte Anspruch auf Herrschaft über alle Franken, wenn auch real auf die Francia zwischen Rhein und Seine reduziert, und die ezielte Förderung des Lothringers Hagano auf Kosten des hohen Adels lösten das konsensuale Miteinander von König und Fürstenauf. Selbst ein im Vertrag von Bonn 921 erzielter Ausgleich mit dem ostfränkischen König HEINRICH I. vermochte Karl nicht mehr in Franzien zu stützen. Der seit 920 ausbrechende Widerstand führte zur Königswahl Roberts (I.) von Neustrien (20. Juni 922). Auch Roberts Tod in der Schlacht von Soissons (15. Juni 923) rettete Karl den Einfältigen nicht mehr; nach der Krönung von Roberts Schwager Rudolf von Burgund (13. Juli 923) geriet Karl der Einfältige in Gefangenschaft Heriberts II. von Vermandois, in der er starb. Nur die Flucht seiner zweiten Gattin Edgiva mit dem Sohn Ludwig IV. nach England sicherte den Fortbestand der karolingischen Familie. Das Scheitern fand seinen Reflex in (späteren) Benennungen 'simplex' oder 'stultus'. Gleichwohl muß Karl der Einfältige als Bewahrer fränkisch-karolingischer Tradition für das westfränkisch-französische Königtum gelten.
Literatur:
HEG I, 735-745 - A. Eckel, Charles le Simple, 1899 - Recueil des actes de Charles III le Simple ..., ed. P. Lauer, 1940-1949 [dazu J. de Font-Reaulx, Ann. Univ. Grenoble, sect. lettr.-droit 19, 1943, 29-43] - E. Hlawitschka, Lotharingien und das Reich an der Schwelle der dt. Gesch., 1968 - H. Wolfram, Intitulatio II, 1973, 115ff. - B. Schneidmüller, Die 'Einfältigkeit' K.s III. v. Westfranken als frühma. Herrschertugend SchZG 28, 1978, 62-66 - Ders., Karol. Tradition und frühes frz. Kgtm., 1979, 121-138 - J. Ehlers, Die Anfänge der frz. Gesch., HZ 240, 1985, 1-44 - E. Freise, Die 'Genealogia Arnulfi comitis' des Priesters Witger, FMASt 23, 1989, 203-243 - K. F. Werner, Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000, 1989, 475ff. - NDB XI, 184-188. -
Werner Karl Ferdinand: Seite 457, "Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)"
V. Generation 38
Zu den Regierungsjahren Karls III. in seinen verschiedenen Teilreichen vgl. die Ausgabe seiner Urkunden durch Ph. Lauer, Recueil des actes de Charles III le Simple, roi de France, Paris 1940-1949, S. LXXXIVff.
Von Karls erster Gemahlin wußte schon Brandenburg V,26, daß sie die Schwester Bischof Bovos von Chalons war. Wir verdanken K.A. Eckhardt, Genealogische Funde zur allgemeinden Geschichte ²1963, den meines Erachtens schlüssigen Nachweis, daß Friderun eine Tochter des Grafen Theodericus/Dietrich und eine Schwester der Mathilde war, der zweiten Gattin HEINRICHS I (ebd. 24-29), eine Erkenntnis, die auch für das Verständnis der politischen Geschichte zu Beginn des 10. Jahrhunderts von großer Bedeutung ist. Das Todesdatum der Friderun zitiert Eckhardt nach dem alten genealogischen Werk des Pere Anselme (ebd. 27); es ist uns in den Diplomen ihres Gemahls, Karls III., vielfach bezeugt, vgl. nr. 87, 917 II 14 als Terminus ante, nr. 94 für den Todestag, II 10. Das Datum der Eheschließung ergibt sich aus nr. 56, 907 IV 19 unmittelbar nach der Hochzeit ausgestellt. In ihrer zehnjährigen Ehe schenkte Frederun dem Gemahl sechs Töchter (siehe unten VI,41-46), aber keinen Nachfolger. Karls Sohn Ludwig IV. stammt aus Karls zweiter Ehe mit der angelsächsischen Prinzessin Eadgifu/Ogiva, und ebendarum konnte dieser sich mit Gerberga, der Tochter HEINRICHS I. und der Mathilde, ohne verbotenen Verwandtschaftsgrad vermählen, denn er war mit der ersten Gattin seines Vaters, Frederun, nicht blutsverwandt. - Zur Wegnahme von ND de Laon und des Fiskus Attigny, den Ogiva innehatte, weil er dem abgesetzten Gatten, Karl III., von König Rudolf als Alterssitz verliehen worden war, durch ihren Sohn Ludwig IV., als Ogiva 951 den Grafen Heribert heiratete, siehe Flodoard, Ann 951, Lauer 132.
Da Karl III. beim Tode seines Bruders Karlmann erst 5 Jahre alt war, wählte der westfränkische Adel erst KARL III. DEN DICKEN und später den Grafen Odo von Paris zum König. 893 wurde Karl von einer adligen Gegenpartei unter Führung des Erzbischofs Fulko von Reims und Heriberts II. von Vermandois, der später ein erbitterter Gegner wurde, zum Gegenkönig erhoben und gekrönt. Nach dem Tode Odos (+ 1.1.898) wurde er allgemein als König anerkannt. Während seiner Regierung wurde auch in den fränkischen Kerngebieten zwischen Loire und Maas, in "Francien", die Entwicklung eigener Lehnsfürstentümer erkennbar. 911 einigte sich Karl im Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte mit Rollo, dem Anführer einer Normannenschar, die sich im Gebiet der Seinemündung fest angesiedelt hatte. Rollo trat zum Christentum über und erklärte sich bereit, Vasall des Königs zu werden. Dafür wurden ihm mehrere Grafschaften im Gebiet von Rouen zugestanden, die den Kern des Herzogtums Normandie bildeten. Wenn auch nach 911 die Überfälle normannischer Scharen nicht sofort aufhörten, so leitete die Einigung mit Rollo doch das Ende der langen Periode ständiger, weitreichender Plünderungszüge der Normannen ein. Einen außenpolitischen Erfolg erzielte König Karl, als im Jahre 911 im ostfränkischen Reich mit Ludwig dem Kinde der dortige Zweig der KAROLINGER ausstarb und die Großen Lothringens den westfränkischen KAROLINGER Karl anerkannten. Karl führte seit diesem Jahr den Titel "Rex Francorum" (König der Franken), während er sich bisher wie die anderen fränkischen Könige seit 843 einfach "Rex" genannt hatte. Offensichtlich wollte Karl, der jetzt der einzige König aus karolingischen Geschlecht war, mit diesem vollen Titel seinen Anspruch auf Lothringen untermauern und zugleich wohl auch einen Vorrang gegenüber den anderen Herrschern im Bereich des ehemaligen großfränkischen Reiches zum Ausdruck bringen. Doch bereits 925 ging Lothringen an den deutschen König HEINRICH I. verloren. Bedenklich für die Position des Königs war vor allem die Tatsache, dass nicht nur die Herzogtümer Aquitanien und Burgund sowie andere Randgebiete wie Flandern und die Normandie seiner Kontrolle entglitten, sondern auch im Kerngebiet der karolingischen Macht, im neustrischen Gebiet zwischen Loire und Seine, Robert die Wirksamkeit des Königtums einengte. Im Jahre 922 erhob sich unter Führung Roberts von Neustrien eine starke Adelsfraktion gegen den König. Der Erzbischof von Sens krönte in Reims Robert zum König. In der entscheidenden Schlacht zwischen den beiden Königen am 15.6.923 bei Soissons siegten zwar die Aufständischen, doch ihr Führer, der Gegenkönig Robert, wurde getötet. Die revoltierende Adelsfraktion erhob nun Herzog Rudolf von Burgund zum König. Der Graf Heribert von Vermandois lockte Karl kurz darauf in eine Falle und Karl blieb bis zu seinem Tode in der Gefangenschaft des Grafen, der seinen Gefangenen als Druckmittel gegen König Rudolf von Burgund benutzte und ihn nach 6-jähriger Gefangenschaft umbrachte.
Schneidmüller, Bernd: Seite 23-35, "Karl III. der Einfältige"
in Ehlers/Müller/Schneidmüller "Die französischen Könige des Mittelalters"
KARL III. ("DER EINFÄLTIGE") 893/98-923/29
Karl III.
geb. 17.9.879; + 7.10.929 Peronne Bestattung in St-Fursy/Peronne
Eltern: König Ludwig II. "der Stammler" (877-879) und Adelheid
Halbbrüder: König Ludwig III. (879-882) und König Karlmann (879-884)
2. ) 917-919 Eadgifu/Otgiva, Tochter König Edwards I. von Wessex (zuletzt erwähnt 951 bei 2. Eheschließung mit Graf Heribert III. von Vermandois)
1 Sohn (König Ludwig IV., geb. 920/21, König 936-954)
28.1.893 Königswahl, Salbung und Krönung in Reims
Januar 898 Nach dem Tod König Odos allgemeine Anerkennung als König im westfränkischen Reich, erster (erfolgloser) Eroberungszug nach Lotharingien
911 Vertrag und Landzuweisung an die Normannen unter Rollo; Erwerb Lotharingiens
seit 920/21 Spannungen im Verhältnis mit dem westfränkischen Adel
7.11.921 Vertrag mit König HEINRICH I. von O-Franken bei Bonn
922 Kämpfe mit dem westfränkischen Adel
29.6.922 Wahl Roberts I. (von Neustrien) in Reims zum König
15.6.923 Schlacht bei Soissons, Niederlage Karls III., Tod König Roberts I.
13.7.923 Wahl Rudolfs von Burgund zum König
Ende 923 (?) Gefangennahme Karls III. durch Graf Heribert II. von Vermandois, Einkerkerung in
Chateau-Thierry. Flucht der Gattin und des Sohnes nach England
928 Zeitweilige Freilassung. Erneute Einkerkerung in Peronne.
Karl III. ("der Einfältige") ist vielleicht der einzige mittelalterliche Herrscher, der sein Königtum mehrfach gewann und verlor. Seine Regierungsjahre können darum kaum eindeutig angegeben werden, Zeichen für eine Herrschaft in Wandel und Krise, eine Herrschaft, der zwar lange Dauer, jedoch keine Selbstverständlichkeit beschieden war. Im Zerfall überkommener Legitimations-, Denk- und Handlungsmuster trat die wenn auch von den Umständen erzwungene Konzentration politischen Handelns auf den Westen und die Mitte des ehemaligen fränkischen Großreichs ebenso zutage wie das Festhalten an karolingischen Traditionen. Dass die fränkisch-karolingische Prägung dem mittelalterlichen Frankreich überliefert wurde, ist zu einem guten Teil Karls Königtum und Herrschaftsverständnis zuzurechnen, das darum nicht allein aus seinem schließlichen Scheitern zu begreifen ist.
Den Nachgeborenen galt Karl als simplex, als einfältig (französisch "Charles le Simple"), und das hat sein Bild in der Geschichte geprägt. Doch die Handlungsspielräume des Königtums an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert waren begrenzt: In seiner durchaus stringent angelegten Politik blieb der karolingische König in einen rapiden Wandel eingebunden, der die politischen Gewichte noch weiter zugunsten des Adels verschob und zur hierarchischen Gliederung der aristokratischen Gesellschaft wie zur Neuformierung von Reich und Herrschaft führte. Hinzu traten der endgültige Zerfall der überlebten Einheit der fränkischen Volkes und Reiches wie die anhaltende Bedrohung durch Normannen und Ungarn. Bei dem Versuch einer Würdigung von Leben und Handeln Karls sind besonders diese Rahmenbedingungen zu bedenken. Aus ihnen lassen sich nämlich das konsequente Legitimationsdenken und die Betonung der karolingischen Tradition erklären.
Legitimation der Herkunft
Zweimal wurde Karl bei der Thronfolge im westfränkischen Reich übergangen, zweimal wurde er zum Herrscher erhoben, zweimal wurde ihn aus den Reihen des Adels ein "Gegen"-König gewählt, mindestens zweimal wurde Karl eingekerkert. Diese Hinweise markieren Turbulenzen in einem Herrscherleben, das von Anfang an nicht gewöhnlich verlief.
Karl wurde erst nach dem Tod des Vaters geboren (daher der Beiname postumus, der Nachgeborene). Dass wir Karls Geburtstag, den 17. September 879, aus einer Erwähnung in einer Königsurkunde (vom 28. Mai 917 für St-Denis) kennen, ist eher eine Ausnahme in jener Zeit, für die der Todestag den Eintritt in die Ewigkeit und damit die eigentliche "Geburt" des Christen markierte.
Karls Vater, der KAROLINGER Ludwig II. ("der Stammler"), starb am 10. April 879 in Compiegne, seine Nachfolge war schwierig. Seit Jahrzehnten schon besaßen mächtige Adelsverbände Anteil an der Herrschaft im westfränkischen Reich und entschieden folglich auch bei den Nachfolgeregelungen im Königtum mit. Nach der zeitweiligen Ausschaltung der mächtigen ROBERTINER 866 ragten zwei Gruppierungen hervor, die westfränkischen WELFEN unter Hugo Abbas und die RORGONIDEN unter Gauzlin. Diese beiden adligen Herren vereinigten mehrere Grafschaften und geistliche Herrschaftsrechte über Klöster und Bischofskirchen in ihren Händen.
KARL II. ("DER KAHLE", 843-877), der Vater Ludwigs II., hatte seinem durch Krankheitsschübe wiederholt in den Regierungsgeschäften behinderten Sohn bewußt adlige Begleiter an die Seite gestellt. Sie gewannen erheblichen Einfluß auf Ludwigs kurzes Königtum (877-879) und entschieden über die Nachfolge, die durch zwei Ehen des Königs kompliziert war.
Zur Anwendung kam das seit Jahrhunderten praktizierte Thronfolgerecht der merowingischen und karolingischen Könige, deren Reich unter alle in legitimer Ehe gezeugten regierungsfähigen Söhne aufgeteilt wurde. Legitimität der Ehe und Regierungsfähigkeit (Idoneität) der Söhne wurden aber 879 kontrovers diskutiert.
Ludwig hatte nämlich seine erste Gattin Ansgard, die ihm die beiden Söhen Ludwig und Karlmann geboren hatte, auf Geheiß des Vaters verstoßen und in den 70-er Jahren des 9. Jahrhunderts zu Lebzeiten der ersten Gemahlin Karls Mutter Adelheid geheiratet, deren Herkunft aus einer bedeutenden Familie des westfränkischen Reiches inzwischen wahrscheinlich gemacht werden konnte.
Nach kirchlichem Eherecht ergaben sich darum Probleme, da nur eine Eheschließung gültig und allein die Nachkommenschaft aus dieser Verbindung legitim sein konnte. 869 erst hatte das konsequente Beharren der westfränkischen Bischöfe auf diesem Prinzip zum Ende des Königtums im lotharingischen Mittelreich geführt, als König Lothar II. die Legitimität einer "zweiten" Ehe zu Lebzeiten der 1. Gemahlin nicht plausibel zu machen vermochte. In W-Franken entschied man 10 Jahre später nicht konsequent nach kirchenrechtlichen Kriterien, sondern pragmatisch, wenn auch keineswegs einhellig. Gauzlin als Haupt der RORGONIDEN suchte den Kontakt mit den ostfränkischen KAROLINGERN, Hugo Abbas als Haupt der WELFEN setzte schließlich im September 879 die Nachfolge der Söhne Ludwigs II. aus seiner ersten Verbindung mit Ansgard durch. Eine Teilung des westfränkischen Reichs unter Ludwig III. (879-882) und Karlmann (879-884) im März 880 in Amiens eröffnete die Möglichkeit einer Scheidung der welfischen und rorgonidischen Einflußzonen.
Die Niederkunft Königin Adelheids mit Karl, dem man den Namen der berühmten karolingischen Kaiser gab, gewann keine Bedeutung, schien doch durch die Krönung der älteren Söhne ohnehin die Gültigkeit der zweiten Verbindung in Zweifel zu stehen. Der über 5 Monate nach dem Tod seines Vaters geborene Karl ging darum 879 ebenso leer aus wie bei der Nachfolge seiner früh verstorbenen Halbbrüder Ludwig III. und Karlmann 882 und 884.
Auf Karl setzte eine westfränkische Adelspartei erst viele Jahre später, Zeugnis für die Relativität von Rechtsansprüchen angesichts politischer Zwänge. Karls Gegner mochten ihm seine "illegitime" Geburt als "Bastard" vorwerfen; spätere Genealogen betonten seine Herkunft aus der Verbindung seines Vaters mit einer "Königin", während die älteren Halbbrüder mit einer sogenannten Königin oder gar einer Konkubine gezeugt worden seien. So entschied die Geschichte schließlich über die Rechtmäßigkeit königlicher Herkunft, die dem Kind im Jahr der Geburt wie auch 884/85 bestritten worden war. Damals lud der westfränkische Adel wegen des "Fehlens" eines eigenen Königskandidaten den ostfränkischen KAROLINGER KARL III. ("DEN DICKEN"), gestorben 888), zur Übernahme der Herrschaft im Westen ein.
Das fränkische Großreich war so fast vollständig wieder unter einem Kaiser vereint. Seine Regierungszeit legte angesichts äußerer Gefahren und mangelnder Integrationsfähigkeit der zunehmend selbständig werdenden Teile freilich die Grenzen politischer Raumerfassung und effektiver Herrschaft schonungslos bloß. Das wiederholte Versagen des kranken Kaisers bei der Normannenabwehr machte den Zeitgenossen die Notwendigkeit einer Regionalisierung der Reichsverteidigung auf die Fürstentümer deutlich und prägte politische Legitimität um. Zum Königtum schien man nicht mehr allein durch bloße Geburt aus karolingischer Familie berechtigt zu sein, nötig war vielmehr effektives Regierungshandeln.
Beim endgültigen Zerfall des fränkischen Großreichs 888, ausgelöst durch den "Staatsstreich" des illegitimen ostfränkischen KAROLINGERS ARNULF von Kärnten gegen seinen kaiserlichen Onkel KARL DEN DICKEN 887, erhoben adlige Herren der fränkischen Teilreiche mit Ausnahme O-Frankens Könige aus ihren Reichen, die ihre Tatkraft unter Beweis gestellt hatten und an Macht ihren Standesgenossen wenig überlegen waren. Wie schon 884/85 schien dem westfränkischen Adel der nunmahr 8-jährige Karl 887/88 den Herausforderungen des Königtums nicht gewachsen. Eine solche karolingische Kandidatur wurde ganz offensichtlich nicht diskutiert, wie überhaupt über Karls Schicksal in diesen Jahren der Kindheit nur Unsicheres bekannt ist. So setzte sich im ROBERTINER Odo (888-898) erstmals ein Nicht-KAROLINGER im westfränkischen Reich durch.
Einen ernsthaften Gegner mochte Odo in Karl nicht erblickt haben, über dessen Verbleib wir 889 endlich sichere Kunde erhalten. Als Odo nämlich im Zuge der Festigung seines Königtums nach Aquitanien reiste, traf er dort Graf Ramnulf II. von Poitiers, an dessen Hof sich Karl aufhielt. Ramnulf schwor seinem neuen König Treue und sicherte ihm zu, dass er von dem Knaben nichts befürchten habe.
Legitimation der Königswahl
Das unglückliche Verhalten Odos bei der Normannabwehr, sein Versuch, auf Kosten adliger Interessen die königliche Stellung in Aquitanien auszuweiten, und die gezielte Beförderung seines Bruders Robert führten geistliche und adlige Herren zusammen, die dem robertinischen Königtum feindlich gegenüberstanden. Zu ihnen zählten neben Erzbischof Fulco von Reims die vor allem im NO der Francia begüterten Grafen Heribert und Pippin, selbst aus karolingischer Familie stammend, der ebensfalls mit dem karolingischen Haus verwandte Bischof Anskerik von Paris und die Söhne des Grafen Gauzlin von Maine. Auf einer Reimser Synode wählten sie am 28. Januar 893 den jetzt 13-jährigen Karl zum König. Die Situation war durchaus günstig, der Erhebungsakt sorgfältig inszeniert. Den jungen KAROLINGER setzte man auf den "väterlichen Thron", ein Akt, der Odos Königtum als Usurpation verwarf. Gezielt hatte man dafür den Todestag KARLS DES GROSSEN gewählt, den man fast überall im Frankenreich liturgisch feierte. Seinem gleichnamigen Ururgroßenkel sollte dieser Rückbezug legitimierende Kraft verleihen, und von daher gewinnt die wiederholt zu beobachtende Orientierung an karolingischen Vorbildern durch KARL III. bereits für den Erhebungsakt ihre Bedeutung. Durch Weihe und Krönung unterstrich Erzbischof Fulco von Reims zudem den Reimser Anspruch auf das 888 vom Erzbischof von Sens ausgeübte Recht, den westfränkischen König zu krönen.
Ebenso rasch, wie der Reimser Oberhirte Anhänger für seinen Kandidaten zu gewinnen suchte, wollte die karolingische Partei die Entscheidung mit den Waffen erzwingen, doch vermochte sich Odo in Aquitanien zu behaupten und im Sommer sogar nach N vorzustossen. Da die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht über die Rechtmäßigkeit des Königtums entschieden, propagierte Fulco mit diplomatischem Geschick das karolingische Erbrecht Karls in Briefen an Papst Formosus, an den ostfränkischen KAROLINGER König ARNULF und an den italienischen Kaiser WIDO.
Odo und Karl erkannten durch wiederholte Hilfegesuche die Schiedsrichterrolle ARNULFS durchaus an und empfingen von ihm gerne bestätigende Zeichen ihrer Macht. Freilich ließ ARNULF, indem er zunächst Karl, dann Odo akzeptierte, letzte Konsequenz vermissen. Das wechselnde Kriegsglück begünstigte zwar Odo, ließ ihn aber nicht zum strahlenden Sieger werden. Die politische Ausweglosigkeit war jedenfalls nicht durch ostfränkische Parteinahmen zu überwinden, die allenfalls als zusätzliche Festigung der Ansprüche auf das Königtum seitens des KAROLINGERS oder des ROBERTINERS ins Feld geführt wurden. Deutlich tritt darum die zunehmende Autonomie des westfränkischen Reiches, seine endgültige Lösung aus dem fränkischen Großreichsverband zutage.
Immerhin fand Karl in politisch auswegloser Lage Rückhalt im ehemaligen lotharingischen Mittelreich als der karolingischen Stammlandschaft schlechthin, demARNULF im Unterkönigtum seines Sohnes Zwentibolddie Eigenständigkeit bewahrt hatte. Damals kamen erste persönliche Bindungen zu Adelsverbänden zustande, die später für Karls Königtum bedeutsam werden sollten. Aus der Memorialüberlieferung des Klosters Remiremont wissen wir, dass sich dort im Februar 896 Karl III. und Fulco von Reims mit führende Herren anderer fränkischer Reiche trafen, darunter der italienische Kaiser LAMBERT von Spoleto und König Rudolf I. von Hochburgund.
Doch solche Kontakte vermochten nicht zu vertuschen, dass Karl im westfränkischen Reich nicht über den nötigen Rückhalt verfügte, gegen Odo zunehmend in die Defensive geriet und seine letzten Anhänger mehr und mehr verlor. Um so erstaunlicher mutet ein Abkommen der beiden Rivalen über das Königtum von 897 an, in dem Odos Vorherrschaft zwar akzeptiert, Karl aber ein Landgebiet um Laon und vor allem die Aussicht auf die alleinige Königswürde nach Odos Tod zugewiesen wurde. Zu dieser Zeit besaß Odo keinen männlichen Nachkommen mehr, und sein Bruder, der marchio Robert von Neustrien, durfte sich anscheinend keine Hoffnung auf die Nachfolge im Königtum, wohl aber auf die Erbschaft der reichen robertinischen Güter und Rechte machen.
Odo hielt sich an diese Abmachung und empfahl seinen Anhängern vor seinem Tod im Januar 898 Karl als König, der seinerseits die bestehende robertinische Macht im Reich akzeptierte. Der 5-jährige Streit um den westfränkischen Thron war damit zugunsten des Schwächeren entschieden, der den Erfolg sogleich zur Erweiterung der traditionsbezogenen Legitimität seiner Herrschaft nutzte.
Legitimation der "Unordnung"
Die Durchsetzung eines allgemein akzeptierten karolingischen Königtums in W-Franken konnte nicht über den tiefgreifenden Wandel königlicher Herrschaft hinwegtäuschen. Immer deutlicher trat im Laufe des 9. Jahrhunderts der adlige Anspruch auf Teilhabe an den Regierungsgeschäften hervor, immer klarer wurden die Möglichkeiten der Monarchie, auf alle Regionen des Reiches zuzugreifen, eingeschränkt. Karl III. hatte seine Königswahl einer Adelsgruppierung in N-Frankreich verdankt, und er erkaufte seine unangefochtene Herrschaft seit 898 schließlich mit der Anerkennung der Machtpositionen seines ärgsten Rivalen Robert vor allem in Neustrien, im Gebiet zwischen Seine und Loire. Schon König Odo hatte Roberts Stellung durch einen neuen Titel, den eines marchio (Markgrafen), zum Ausdruck gebracht, und Karl griff diese Würde in seinen Urkunden auf.
Damit kam zum Ausdruck, dass in den einzelnen Landschaften des westfränkischen Reiches, in Neustrien zuerst, dann in Aquitanien und in Burgund, schließlich seit 911 in Lotharingien, Adlige über ihre gräfliche Standesgruppe hinaus - und in ein besonderes Verhältnis zum König eintraten. Der Herrscher wurde zwar im ganzen Reich von Flandern bis in den Pyrenäenraum formal als oberster Herr anerkannt, blieb aber in seiner wirklichen Herrschaft ganz auf sein Königsgut in der Francia, in N-Frankreich zwischen Loire oder Seine und der Reichsgrenze nach Osten, beschränkt. Den direkten Bezug sowohl zum größeren Teil seines Reiches als auch zur Masse des Adels in den verschiedenen regna des westfränkischen Reiches hatte der König verloren. Er herrschte nur noch in der Francia, nicht mehr in den anderen regna Burgund, Aquitanien, Gothien und Gascogne, zu denen noch die Bretagne, die Normandie und Flandern traten. Diese regna - der Begriff ist nur unvollkommen mit "Königreiche" zu übersetzen - bildeten bis ins hohe Mittelalter die Bausteine des westfränkischen Reiches und führten für Jahrzehnte, bisweilen für Jahrhunderte ein Eigenleben fern monarchischer Einflußnahme.
Eine solche politische Realität an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert verleitete die ältere Geschichtsschreibung, die mit der Idee vom organisierten Lehnswesen mit festen Hierarchien und königlicher Spitze auf die staatliche Ordnung schaute, zur Feststellung einer "feudalen Anarchie", einer "Unordnung" im Staat auf Grund adliger Eigenexistenz. Wir wissen heute besser, dass gerade die Vielfalt adliger Herrschaft und ihre Akzeptanz durch den König wie auch die Schichtung der adligen Gesellschaft in marchiones (Markgrafen) und deren gräfliche Vasallen die öffentliche Ordnung bewahrten und stabilisierten. Freilich wurde diese Ordnung nicht von einer zentralen Königsgewalt, sondern nur vom Mit- und gelegentlich Gegeneinander königlicher und adliger Herrschaft gewährleistet.
Karl akzeptierte die ohnehin eingetretene Über- und Unterordnung in der Adelsgesellschaft und brachte das in der Bezeichnung einzelner mächtiger Herrschaftsträger in den regna seines Reiches als marchiones zum Ausdruck, wobei der "Markgrafen"- noch lange mit dem Grafentitel(comes) konkurrierte (Robert von Neustrien, Wilhelm I. von Aquitanien, Richard von Burgund, nach 911 Reginar [Lotharingien]). Doch wird man sich hüten, hier sogleich ein grundlegend neues Verfassungssystem im Sinne eines Dualismus von König und marchiones zu erblicken; dafür sind unsere Quellen zu dürftig. Feststellen können wir allerdings das Bemühen von Königtum und Adel, dem eingetretenen Wandel der politischen Verhältnisse durch neue "Namen" und Verhaltensmuster Rechnung zu tragen.
Der König hatte den größten Teil des älteren reichen karolingischen Krongutes eingebüßt und blieb auf bescheidene Ländereien in der Francia wie auch seine Herrschaftsrechte über Teile der Kirche beschänkt. Besonders häufig hielt sich Karl in Laon, Compiegne, Attigny, Verberie und Ponthion auf. Aber ihm verblieb sein monarchischer Anspruch als oberster Herr im Reich mit seinen regna und zunächst auch noch die Kraft, die vermeintliche "Unordnung" im Verfassungswandel mitzugestalten und damit zu legitimieren.
Legitimation der Herrschaft
Anfang 898 konnte Karl III. auf seinem Reimser Hoftag die allgemeine Anerkennung seines Königtums feiern. Von Odo hatte er dessen Kanzler Heriveus übernommen und damit die Kontinuität der Reichsverwaltung gewährleistet. In der Urkundenausstellung spiegelte sich in besonderem Maß das traditionsbezogene Selbstverständnis des karolingischen Herrschers, der sich in seinen Diplomen wiederholt auf berühmte karolingische Vorfahren wie Pippin, KARL DEM GROSSEN und LUDWIG DEN FROMMEN bezog. Sein Monogramm näherte sich dem KARLS DES GROSSEN und KARLS DES KAHLEN an, seine Regierungsjahre wurden seit 898 nicht nur von der Wahl von 893 an, sondern auch von der Wiedererlangung des allgemeinen Königtums im Januar 898 gezählt.
Zur Durchsetzung im westfränkischen Reich trat sogleich der Versuch äußerer Expansion. Von seinem Verwandten, dem lotharingischen Grafen Reginar Langhals, gerufen, zog Karl 898 gegen König Zwentibold nach Aachen und Nimwegen, vermochte aber Lotharingien noch nicht unter seine Gewalt zu bringen. Dafür sicherte er seinen Einfluß auf den wichtigsten erzbischöflichen Sitz im westfränkischen Reich, als er nach der Ermordung Fulcos von Reims den Kanzler Heriveus als Nachfolger durchsetzen konnte, der ihm bis zum Tod (922) ergeben bieb. Die unter Heriveus' Vorsitz tagende Provinzialsynode in Trosly formulierte 909 nicht nur Reformideen in der Tradition der westfränkischen Synoden des 9. Jahrhundert, sondern forderte auch den Gehorsam gegenüber dem König, der wiederholt Herrschaftsrechte über Bischofskirchen geltend machte (zum Beispiel beim Streit um die Besetzung des Bistums Lüttich 920/21).
Über Karls Herrschaft bis 911 ist wenig bekannt. Erst 907 heiratete der letzte westfränkische KAROLINGER-Sproß Frederun, eine Dame aus vornehmen sächsischen Adel (gestorben 10. Februar 916/17; verwandt mit der späteren ostfränkischen Königin Mathilde), die ihrem Mann 6 Töchter zur Welt brachte. Wie die Ereignisse im ostfränkischen Reich beim Tod des letzten KAROLINGERS Ludwig (dem Kind) 911 gezeigt hatten, bedeutete das Fehlen eines Thronfolgers eine ernste Bedrohung für Königtum und Familie; seit 911 war Karl schließlich der einzige verbliebene karolingischeHerrscher. Sprößlinge aus einer Verbindung mit einer Konkubine vermochten die Nachfolge im Königsamt nicht zu gewährleisten, und so mußte das königliche Haus alle Hoffnung auf die zwischen 917 und 919 geschlossene 2. Ehe des etwa 40-jährigen Königs mit der Angelsächsin Eadgifu/Otgiva setzen, der Tochter König Edwards I. von Wessex. Sie brachte 910/21 endlich den ersehnten Thronfolger Ludwig (IV). zur Welt, der seiner Familie nach allerlei Turbulenzen wenigstens noch für drei Generationen den westfränkischen Königsthron sicherte.
In doppelter Hinsicht bildete das Jahr 911 den Höhepunkt von Karls Herrschaft, auch wenn sowohl die Chronologie als auch die Handlungsmotive der Beteiligten auf Grund der dürftigen Quellenüberlieferung vielfach im dunkeln blieben. Zum einen gelang Robert von Neustrien und Richard von Burgund im Bund mit dem Bischof von Chartres am 20. Juli 911 ein entscheidender Normannensieg, der von der späteren normannischen Tradition zum Wendepunkt der eigenen Volksgeschichte stilisiert wurde. Offenkundig überließ man damals einem normannischen Verband unter seinem Führer Rollo das Gebiet um Rouen und einige Gaue am rechten unteren Lauf der Seine in einem Vertrag auf Dauer, Basis für die Konsolidierung normannischer Siedlung, Christianisierung und Einbindung in den fränkischen Herrschaftsverband. Wie das Bündnis im einzelnen aussah, ob sich Karl mit Rollo traf, wo dies geschah (in St-Clair-sur-Epte?), ob Rollo vom ROBERTINER aus der Taufe gehoben wurde und dafür eine Königstochter als Belohnung erhielt, kann nicht der zeitgenössischen Überlieferung, sondern nur normannischen Traditionen des 11. Jahrhunderts entnommen werden und erfordern darum kritische Zurückhaltung. Unstrittig ist jedenfalls, dass die Abmachungen von 911 Aussichten auf die allmähliche Lösung der drückendsten Bedrohung des westfränkischen Reiches verhießen und dass der zunächst unbeteilgte König die Früchte dauerhafter Bemühungen vor allem seines robertinischen Lehnsmannes erntete.
Wenig später fiel dem KAROLINGER ein zweites Geschenk zu, als sich ihm - wie schon 898 - Teile des lotharingischen Adels unter Graf Reginar Langhals zuwandten, um ihn als König ins Land zu rufen. Für die Beurteilung der Vorgänge wäre die genaue Kenntnis der Chronologie nötig, doch ist der Ablauf der Ereignisse leider nicht exakt zu rekonstruieren. Zu vermuten bleibe, dass die Adelsaktion zwar in Verbindung mit dem Tod des letzten ostfränkischen KAROLINGER-Königs Ludwig am 24. September 911 stehen könnte, jedoch schon vor der Königswahl des ersten Nicht-KAROLINGERS, KONRADS I., im November 911 in Forchheim stattfand. Der Entschluß wäre darum eher als "Königsverlassung" Ludwigs (des Kindes) denn als starre Orientierung an karolingischer Legitimität in der Opposition zu KONRAD I. zu bewerten, wie er in der älteren Forschung vielfach gesehen wurde; sie bescheinigte dem lotharingischen Adel unbedingte Treue zum karolingischen Haus.
Karl jedenfalls trat seine lothringische Herrschaft dem Ausweis seiner eigenen Urkunden zufolge zwischen dem 10. Oktober und dem 27. November 911 an und begriff diese Erweiterung als Sieg des karolingischen Erbrechts. Schon in seiner ersten Urkunde für einen lotharingischen Empfänger vom 20. Dezember 911 äußerte sich das neuherrscherliche Selbstbewußtsein eindrucksvoll, wenn fortan zusätzlich zu den Herrschaftsjahren von der Wahl 893 und der Wiedererlangung 898 auch vom Antritt einer vergrößerten Erbschaft (larrgiore vero hereditate indepta) datiert wurde. Wie schon die ersten karolingischen Könige Pippin und KARL DER GROSSE führte Karl III. 911/12 zeitweise den altertümlichen Rangtitel vir inluster oder vir illustris. Traditionsbildend wurde der ebenfalls auf früh-karolingische Vorbilder zurückgehende Entschluß des Königs, sich den offiziellen Titel eines Königs der Franken, rex Francorum, zuzulegen. Obwohl in der Folge bisweilen noch der einfache Königstitel rex begegnet, bildet rex Francorum fortan den offiziellen Titel der westfränkisch-französischen Könige bis in die Neuzeit hinein, seit dem 13. Jahrhundert auch mit roi de France übersetzt. Damit sicherten sich der Westen des ehemaligen Großreichs und seine Herrscher den Anspruch auf die Fortführung und Bewahrung fränkischer Traditionen.
Es ist umstritten, ob Karl seit Dezember 911 in seiner Intitulatio den Anspruch auf Herrschaft über alle Franken erhob oder ob der Titel Indiz für eine "Regionalisierung" der fränkischen Trdition auf den Raum zwischen Rhein und Loire ist. Für 911 scheint die erste Vermutung wahrscheinlicher, geschichtsmächtig wurde freilich später die Konzentration auf die Francia, jenes Landes zwischen Maas und Loire. Kaum in Lothringen angekommen (1. Januar 912 in Metz), suchte der KAROLINGER auch die Franken im Reich KONRADS I. unter seine Herrschaft zu bringen und in den Bahnen seiner karolingischen Vorfahren zu regieren. Damit hatte er freilich seine Kräfte überspannt und konnte die seit Jahrzehnten eingetretene Sonderung der fränkischen Reiche nicht ünberwinden. Immerhin gelang die Verteidigung der lotharingischen "Erbschaft" 912/13 gegen Feldzüge KONRADS I.
Dem KAROLINGER war mit Lotharingien eine Landschaft zugefallen, die mit reichem Königsgut (vor allem die Pfalzen in Aachen, Diedenhofen und Herstal) ausgestattet war und fortan gleichberechtigt neben den Aktionsraum der Monarchie in der Francia trat. Die innere Konsolidierung gelang zunächst durch die Anerkennung einer Sonderrolle Reginars als marchio. Zudem griff Karl seit 913 auf die Tradition einer Sonderkanzlei unter Erzbischof Ratbod von Trier als Erzkanzler und Erzkaplan zurück, die zeitweise neben die westfränkische Kanzlei unter Erzbischof Heriveus von Reims trat. Als Reginar und Ratbod 915 starben, wurden Karls Pläne zur Integration seiner Herrschaftsgebiete in Franzien und Lotharingien deutlicher, indem die lotharingische mit der westfränkischen Kanzlei verschmolzen wurde. Beständigen Konfliktstoff gab fortan die Zurücksetzung von Reginars Sohn Giselbert, da dem König an einer Machtkonzentration in der Hand eines lotharingischen Adligen nicht gelegen sein konnte. 919 kam es zum offenen Bruch. Lotharingische Adlige wählten Giselbert zu ihrem Herrscher, ohne dass das regnum allerdings einen eigenständigen Weg zwischen O- und W-Franken gehen konnte. Später, nach Karls Sturz, sollte Giselbert den Anschluß Lotharingiens ans ostfränkische Reich HEINRICHS I. beteiben und dort endlich die Anerkennung als Herzog finden.
Legitimation in der Krise
Immerhin gelang bis 919/20 die Konsolidierung, vor allem durch die Abhaltung von Hoftagen, zu denen Karl die bedeutenden Adelsverbände zusammenrufen konnte. 920 machte sich die wachsenden Unzufriedenheit aber auf einem Hoftag in Soissons Luft, als man vom König die Trennung von seinem Vertrauten Hagano forderte. An Rang war er den Fürsten unterlegen, erfuhr aber gleichwohl die besondere Aufmerksamkeit und Förderung des KAROLINGERS. Dieses für die mittelalterliche Standesgesellschaft nicht untypische Ringen um Königsnähe, Einfluß bei Hof und Beachtung von Ritualen des öffentlichen Verkehrs sollte zum Anlaß von Karls Untergang werden. Freilich darf man diesen nicht aus dem bloßen Umgang mit einem "Günstling" deuten, sondern aus Verschiebungen im Miteinander von Königtum und Adel, aus der Behauptung adliger teilhabe an der Königsherrschaft einerseits und andererseits aus den offensiven Versuchen zur Schaffung einer autonomen monarchischen Sphäre bei Hof und im Reich, basierend auf den politischen Erfolgen Karls im zweiten Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts.
Äußere Ereignisse hielten die Entscheidung noch auf. Das Ende von KONRADS I. Königtum in O-Franken 918 und die Wahl des ersten nichtfränkischen Königs, des LIUDOLFINGERS HEINRICH I., 919 suchte Karl erneut für sein Konzept einer Herrschaft über alle Franken zu nutzen. Der Feldzug in den Wormsgau 920 mißlang allerdings vollkommen, eine bis zum 11. November 921 geschlossene Waffenruhe zwang zum Ausgleich mit dem neuen ostfränkischen König. Anfang November kamen die Könige mit illustrem Gefolge bei Bonn am Rhein zusammen, musterten sich von den Flußufern ausgiebig und trafen sich schließlich unter strenger Beachtung protokollarischer Gleichrangigkeit aam 7. November 921 auf einem Boot in der Flußmitte. Der dort ausgehandelte Freundschaftsbund, in einer westfränkischen Kanzleiausfertigung eher schlecht überliefert, gewährt uns wichtige Kunde von den Spielregeln politischer Öffentlichkeit, darüber hinaus aber auch, dass Karl III. das Königtum seines Amtskollegen als (fast?) gleichwertig anerkennen mußte. Dem Vertrag schlossen nämlich die Könige der W- und der O-Franken (rex Francorum orientalium und rex Francorum occidentalium), ein einmaliges Zeugnis dafür, dass der legitimationsbewußte KAROLINGER einen Sachsen an fränkischen Traditionen teilhaben lassen mußte.
Immerhin hatte Karl im Bonner Vertrag seine O-Grenze gesichert und konnte nun ohne äußere Bedrohung den Kampf mit dem führenden Adel der Francia aufnehmen. Bis zum Sommer 921 hatte sich Robert von Neustrien als getreuer Gefolgsmann des Königs erwiesen, der den ROBERTINER wiederum förderte und schon 914 die geplante Erbfolge von Roberts Sohn Hugo (Magnus) im väterlichen Herrschaftsbereich sanktioniert hatte. Karls Entschluß von 922, seiner eigenen Tante Rothild, einer Tochter Kaiser KARLS DES KAHLEN, die ehrwürdige karolingische Abtei Chelles wegzunehmen, um sie Hagano zu übertragen, kann nicht allein aus der bloßen Absicht zur Förderung des Vertrauten erklärt werden. Rothilds Tochter Judith war nämlich mit Hugo Magnus verheiratet, so dass Rothilds Verlust zum Verlust gegen die ROBERTINER wurde.
Hugo Magnus nahm im April 922 den Kampf auf und brachte zusammen mit seinem Vater Robert in der Folge einen ansehnlichen Adelsbund gegen den König zusammen, dem neben Roberts Schwiegersohn Rudolf von Burgund auch Graf Heribert II. von Vermandois beitrat. Am 29. Juni 922 erhob die robertinische Partei Robert in Reims zum König. Anfang 923 sicherte sich der neue Herrscher bei einer Zusammenkunft mit dem ostfränkischen König durch einen Freundschaftsbund nach außen, doch wahrte der LIUDOLFINGER in den folgenden Auseinandersetzungen zunächst strikte Neutralität.
Mehrfach wich Karl der direkten Konfrontation nach Lotharingien aus, suchte schließlich aber am 15. Juni 923 bei Soissons die militärische Entscheidung. In dieser verlustreichen Schlacht kam Robert I. ums Leben, jedoch wurde Karl III. von Hugo Magnus und Heribert II. von Vermandois besiegt und flüchtete sich nach Lotharingien. Der westfränkische Adel wählte schon am 13. Juli 923 in Rudolf von Burgund, dem Schwiegersohn des gefallenen Herrschers, einen neuen König.
Karls Schicksal war besiegelt, als er einer Einladung Heriberts II. von Vermandois nach St-Quentin zu vermeintlichen Bündnisverhandlungen folgte und, von seinem früheren Lehnsmann verräterisch in Haft genommen, in Chateau-Thierry eingekerkert wurde. Dass Heribert perfide handelte, betonen alle Quellen, doch nützt solche Sympathie dem gefangenen KAROLINGER ebenso wenig wie jene Urkunde fern seiner eigentlichen Stammlande in S-Frankreich, die die Gefangenschaft des Königs und den Verrat des Adels in den Datumszeilen erwähnen. Wenigstens konnte sich Karls Gemahlin Eadgifu mit dem kleinen Thronfolger Ludwig in den Wirren zu ihrer Familie nach Wessex retten, wo sie am Hof des Bruders, König Aethelstan (924-939), verblieb. Zunächst spielte der verbliebene junge KAROLINGER Ludwig bei den Verhandlungen über den Königsthron ebenso wie sein Vater Jahrzehnte zuvor keine Rolle.
Wie tief Karl durch die Einkerkerung gesunken war, erwies sich in einer Episode 927/ 28, als Graf Heribert II. bei Auseinandersetzungen mit König Rudolf von Burgund den KAROLINGER kurzzeitig in Freiheit ließ, ihm huldigte, ein Bündnis mit den Normannen zustande brachte und den "König" nach Reims führte. Nachdem Heribert aber den karolingischen Hauptort Laon von Rudolf erlangt und sich mit dem König wieder ausgesöhnt hatte, wurde Karl III. ein zweites Mal in Peronne eingekerkert, dieses Mal endgültig. Am 7. Oktober 929 ist er gestorben und wurde dort in St-Fursy/Peronne bestattet.
Nachgeborene bezeichneten Karl als "einfältig" (simplex), was sowohl positiv im Sinne der Lauterkeit (Richer von Reims) als auch negativ als Dummheit (Thietmar von Merseburg) gewertet werden konnte. Sein Herrschaft wird man freilich nicht allein aus dem Scheitern beurteilen dürfen. Sie offenbart den Versuch, bei gewandelten Verfassungsverhältnissen die Idee des karolingischen Königtums zu bewahren und sich die Exklusivität fränkischer Tradition zu sichern. Zumindest die Kontinuität des fränkisch-französischen Reichs- und Herrschaftsbewußtseins ist zu einem guten Teil der Herrschaft Karls III. zu danken, der seinen Amtsnachfolgern den offiziellen Königstitel rex Francorum, König der Franken und später der Franzosen, weitergab.
Schieffer Rudolf: "Die Karolinger"
Nach dem Tode König Karlmanns griffen die Großen des W-Reiches nicht auf den kleinen Karl, Ludwigs des Stammlers Sohn von Adelheid zurück, der sich mit seiner Mutter damals oder wenig später in der Obhut des Grafen Ramnulf II. von Poitiers befand; gegen ihn sprach wohl nicht nur, dass man ihn nach der Anerkennung seiner verstorbenen Stiefbrüder als illegitim betrachten mußte, sondern auch, dass die Entscheidung für ein 5-jähriges Kind eine vormundschaftliche Regierung von solcher Dauer erfordert hätte, wie sie in der karolingischen Geschichte bis dahin stets vermieden worden war.
Karl mit dem späteren, an sich positiv gemeinten Beinamen "der Einfältige" wurde auf Betreiben des Erzbischofs Fulco von Reims und des Grafen Heribert von Soissons und Meaux am 28.1.893, also am Jahrestag von KARLS DES GROSSEN Tod, in Reims feierlich gekrönt und fand als (Gegen-)König auf Anhieb starke Resonanz, die bis ins westfränkische Burgund und nach Aquitanien reichte, aber nicht von Dauer war. Er traf im Mai 894 in Worms mit König ARNULF zusammen, wo dieser den Vetter (zweiten Grades) als Lehnsmann annahm und seine politischen Ziele zu unterstützen versprach. Doch ließ er bald davon ab, als Karl nach seiner Rückkehr gegen den wieder erstarkenden Odo weiter rapide an Boden verlor und aus der Francia ins westliche Burgund ausweichen mußte. Darauf erneuerte ARNULF im Mai 895 in Worms das Bündnis mit Odo.
Im Sommer 895 griff Zwentibold von Lothringen zu seinen Gunsten in W-Franken ein, so dass es 897 durch die tätige Vermittlung Fulcos von Reims zu einem Ausgleich zwischen Odo und Karl dem Einfältigen kam: Der siegreiche ROBERTINER, der ohne legitime Erben geblieben war, einigte sich mit dem unterlegenen KAROLINGER auf gegenseitige Anerkennung ihres Königtums, gestand ihm ein beschränktes Hoheitsgebiet (wohl um Laon) und nach seinem Tode die Anwartschaft auf das ganze W-Reich (vor dem eigenen Bruder Robert) zu, ließ sich dafür aber die beträchtlichen Machtpositionen seiner Familie von dem bisherigen Rivalen garantieren. Nach dem Tode König Odos am 1.1.898 folgte ihm Karl reibungslos.
Im Unterschied zu Ludwig dem Kind war Karl der Einfältige, als er im Januar 898 nach Odos Tod auf einer Reichsversammlung in Reims sein unangefochtenes Königtum in W-Franken antrat, immerhin ein 18-jähriger und die folgenden zweieinhalb Jahrzehnte hindurch Herr seiner politischen Entschlüsse, aber auch er hatte sich von vornherein schweren Hypotheken zu beugen, die seine Entfaltung hemmten und an denen er trotz zeitweiliger Erfolge schließlich gescheitert ist. Robert, der Bruder des verstorbenen Königs, ließ ihm ja nur deshalb den Vortritt, weil er gemäß früherer Absprache darauf bauen durften, nicht bloß den Hausbesitz seiner Vorfahren, sondern auch die Gesamtheit der von Odo übertragenen Hoheitsrechte in Neustrien und im Pariser Becken und sogar die dortigen Pfalzen, Fiskalgüter und Reichsabteien zu behalten. Diese Mediatisierung aller königlichen Rechte in Neustrien, die Karl sogar Saint-Denis entzog, verschob die Gewichte zwischen KAROLINGERN und ROBERTINERN entscheidend. Sie fand ihren förmlichen Ausdruck in Roberts Bezeichnung als marchio und ging in der Sache weiter als die Machtkonzentration in den Händen des zeitgleichen duces in O-Franken, weil sie in etwa flächendeckenden Charakter annahm und neben den Grafschaften auch die Bischofssitze dem König entwand. Sie war zudem durchaus nichts Einmaliges, sondern holte nun auf fränkischem Boden nach, was sich schon länger im aquitanischen Süden abgezeichnet hatte.
Selbst im engeren Bereich der östlichen Francia zwischen Seine und Maas, der dem wiederbelebten karolingischen Königtum allein noch verblieb, gab es fühlbare Konkurrenz durch die aufsteigende Macht des Grafen Balduin II. von Flandern (+ 918), der 900 ungestraft die Ermordung des Erzbischofs Fulco von Reims, Karls Erzkanzler, ins Werk setzte, und durch den Grafen Heribert I. von Vermandois, der in der Champagne seine Herrschaft ausbreitete, bis er vor 907 ebenfalls Balduins Nachstellungen zum Opfer fiel. Inmitten dieser regionalen Gebieter, die ihm alle durch formellen Lehnseid unterstellt, tatsächlich aber mit ihren Vasallenaufgeboten überlegen waren, blieb Karl nichts anderes übrig, als die großen Lehnsfürstentümer (Prinzipate) zu respektieren, behutsam ihre Rivalitäten zu steuern und sich selber wenigstens einen Kernbereich unmittelbarer Autorität im Raum um Reims und Laon zu erhalten, wobei die Erzbischöfe von Reims seine wichtigsten Partner wurden. An ein aktives Bemühen um Lotharingien, wo er gleich 898 auf Reginars Seite eingegriffen hatte, konnte Karl jahrelang nicht denken, doch dürfte seine 907 geschlossene Ehe mit der vornehmen Sächsin Frederun, vielleicht aus der Familie der späteren Königin Mathilde, ein fortwährendes Interesse am O-Reich und eine Aversion gegen die in Lotharingien damals waltenden KONRADINER anzeigen. Da Frederun bis 917 nacheinander sechs Töchter zur Welt brachte, war sie indes nicht imstande, Karls Getreuen neue Zuversicht in die herrschaftliche Zukunft der alten stirps regia zu vermitteln.
Erst 911 kam Karls Politik in ein neues Fahrwasser. Im Verhältnis zu den Normannen, die in W-Franken nicht mehr mit der Wucht früherer Jahrzehnte, aber doch weiterhin Raubzüge unternahmen und dabei nun von den marchiones und sonstigen Magnaten, so gut es ging, in die Schranken gewiesen wurden, trat eine Wende zum besseren ein, als nach dem Scheitern ihrer Belagerung von Chartres eine starke Gruppe unter Führung Rollos dazu gebracht werden konnte, das Christentum anzunehmen und eine Niederlassung an der unteren Seine als Grafschaft Rouen zum Schutz des reiches legalisieren zu lassen. Karl der Einfältige, an den vorherigen, von Robert von Neustrien und Richard von Burgund angeführten Kämpfen offenbar unbeteiligt, trat in Erscheinung, als es etwa im September 911, vielleicht in Saint-Clair-sur-Epte, darum ging, diese Vereinbarung förmlich abzuschließen und Rollo mit dem Gebiet zu belehnen, aus dem die spätere Normandie hervorgegangen ist. Damals dürften bereits die Umwälzungen absehbar gewesen sein, die sich kurz darauf ergaben, denn noch vor dem Tod des ostfränkischen Königs Ludwig am 24.9., dem die Bestattung in Regensburg folgte, hatten sich "die Führer der Lotharingier", einer einzelnen, vielerörterten Annalennotiz zufolge, von dem glücklosen jungen Herrscher "getrennt". Ob diese Entscheidung, hinter der fraglos der 911 wieder in den Vordergrund getretene Reginar stand, unmittelbar die Hinwendung zum einzigen anderen KAROLINGER, dem westfränkischen König Karl, einschloß, weiß man nicht, aber jedenfalls bot sich ein solcher Schritt an, als nach dem Hinscheiden des erbenlosen, nur 18 Jahre alt gewordenen Ludwigfeststand, dass die ostfränkische Linie Ludwigs des Deutschen erloschen war, und die führenden Männer seiner Umgebung sich daran machten, ihr Regiment auch ohne einen KAROLINGER fortzuführen, indem sie den Mächtigsten der Ihren zum Nachfolger erkoren. Wenige Tage bevor in Forchheim KONRAD DER JÜNGERE, das Haupt der KONRADINER, von "Franken, Sachsen, Alemannen und Bayern" zum 1. nicht-karolingischen König O-Frankens gewählt und anschließend gesalbt worden ist, trat Karl der Einfältige am 1.11.911 die Herrschaft über die Heimat seiner frühesten Vorfahren an.
Karl der Einfältige fühlte sich bereits am 20.12.911 in der ersten nach KONRADS Wahl ausgestellten Urkunde veranlaßt, neben der zusätzlichen Jahreszählung "seit dem Erwerb des vergrößerten Erbes" auch die Selbstbezeichnung rex Francorum anstelle des bis dahin gebräuchlichen Königstitels ohne Bereichsangabe einzuführen. Die betonte "Gleichsetzung von fränkisch und karolingisch" (J. Ehlers) sollte nach außen wie nach innen wirken und dem fortan alleinigen Herrscher aus KARLS Geblüt einiges wettzumachen helfen, was ihm an realen Machtmitteln abging. In der Tat gelang es ihm 912 und 913, dreimalige Vorstöße KONRADS I. zur Rückgewinnung des regnum Lotharii abzuweisen, ohne dass sich im Lande eine "konradinische Partei" geregt hätte. Karl nahm nun sogar bevorzugt in Metz und Diedenhofen, in Herstal und Aachen Aufenthalt, ließ seinen Verbündeten Reginar, reich mit Kirchenbesitz ausgestattet, wie die Gebieter über Neustrien, Aquitanien und Burgund als marchio gelten, faßte aber doch bald immer deutlicher ins Auge, Lotharingien zur Erweiterung seiner schmalen Machtbasis in W-Franken zu nutzen. So erlosch nach dem Tod Erzbischofs Radbods von Trier (915) allmählich die gesonderte lotharingische Königskanzlei, die auf Zwentibolds Zeit zurückging, und als im selben Jahr auch Reginar starb, verweigerte Karl dessen Sohn Giselbert die Vorrangstellung des Vaters. Exponent dieser neuen, selbstbewußten Politik scheint der seit 916 in der Umgebung des Königs zunehmend genannte Hagano gewesen zu sein, ein lotharingischer Getreuer von angeblich geringer Herkunft, dessen Aufstieg zum Grafen und zum maßgeblichen Berater Karls den Ärger der bis dahin führenden Kreise vornehmlich in W-Franken weckte.
Karl der Einfältige mag sich 918/19 bereits auf dem Wege zu einer Hegemonie über die nicht-karolingischen Könige gesehen haben, zumal angesichts der schweren Krise, in die die ostfränkische Monarchie durch den fehlgeschlagenen Versuch KONRADS I. (+ 918) geraten war, sich in karolingischer Manier die Mittelgewalten botmäßig zu machen und zu halten. Gleichwohl agierte auch Karl jederzeit auf schwankendem Grund, nicht bloß weil er immer noch ohne Sohn war und darum Freund und Feind als der letzte KAROLINGER erscheinen mußte, nach dessen Ende auch im Westen über das Königtum neu zu verfügen sein würde. Er beeilte sich, nach dem Tod seiner sächsischen Gemahlin Frederun (917) eine neue Ehe einzugehen, wobei sich seine Wahl wiederum nicht am westfränkischen Hochadel orientierte, sondern erstmals in der karolingischen Familiengeschichte auf eine Ausländerin fiel: Eadgifu, die Tochter des angelsächsischen Königs Eduards des Älteren von Wessex. Im Verhältnis zu den eigenen marchiones und sonstigen Großvasallen, unter denen um 920 eine neue Generation nach vorne drängte, hatte Karl ohnehin die für sein politisches Überleben entscheidende Balance früherer Jahre verloren, wie schlagartig zutage trat, als 919 sein Aufruf zur Heerfolge gegen die bis nach W-Franken vorgedrungenen Ungarn nahezu ungehört verhallte. In Lotharingien wurde seine Lage dadurch erschwert, dass östlich des Rheins durch die Wahl des liudolfingischen Sachsen-Herzogs Heinrich, des Sohnes Ottos des Erlauchten, zum König der "Franken und Sachsen" im Mai 919 eine ganz neue Konstellation eingetreten war, die auf die Großen an Maas und Mosel einladender wirkte als das konradinische Regiment der Vergangenheit. Während sich Giselbert nun völlig mit Karl dem Einfältigen überwarf, traten, wie berichtet wird, "fast alle" Großen W-Frankens mit Robert von Neustrien an der Spitze Anfang 920 in Soissons ihrem König gegenüber, seinen Günstling Hagano zu entlassen, das heißt seine resolute Politik der letzten Jahre aufzugeben, und als er dies verweigerte, sagten sie ihm die Treue auf. Der drohenden Beugehaft seiner Magnaten entging Karl nur, indem er sich für 7 Monate in den Schutz des ihm noch ergebenen Erzbischofs Heriveus von Reims begab. Diese Zeit nutzte Giselbert, um sich von seinem lotharingischen Anhang "unter Abkehr von König Karl" zum princeps, also wohl einem Herrscher aus eigenem Recht, proklamieren zu lassen.
Gegen die kaum verhüllte Absetzung hat sich Karl der Einfältige noch einmal energisch aufgebäumt. Als ihm die Unterhandlungen des Erzbischofs Heriveus zu erneuter Anerkennung oder besser Duldung verholfen hatte, wandte er sich zunächst gegen Giselbert, beendete dessen Sezession und setzte auch in der Machtprobe um die Neubesetzung des Lütticher Bischofsstuhls den eigenen Kandidaten gegen den von Giselbert bestimmten und bereits vom Kölner Erzbischof Hermann auf Druck König HEINRICHS I. geweihten Rivalen durch, wobei er sogar den Papst zu seinen Gunsten einschaltete. Um sich auch bei dem sächsischen König, dem augenscheinlichen Schutzherrn Giselberts, Geltung zu verschaffen, drang Karl im September 920 mit Heeresmacht in die Gegend von Worms vor, mußte aber vor der dortigen Gegenwehr zurückweichen. Mit HEINRICH I. konnte er 921 einen befristeten Waffenstillstand vereinbaren, und kurz vor dessen Ende traf er ihn am 7.11. bei Bonn, um auf einem mitten im Rhein verankerten Schiff einen Freundschaftsvertrag abzuschließen. Schon durch die Wahl des Ortes kam zum Ausdruck, dass Karl die Anerkennung der Rheingrenze, also der Zugehörigkeit Lotharingiens zu seiner Machtsphäre, erreichte, während HEINRICHS Erfolg in der expliziten Gleichrangigkeit der Partner bestand, also in der Respektierung seines erst zwei Jahre alten, noch keineswegs überalls im Reiche KONRADS I. durchgesetzten "fränkischen Königtums" durch den Erben des KAROLINGER-Geschlechts.
Nach dieser vermeintlichen Sicherung des regnum Lotharii gedachte Karl der Einfältige, überdies gestärkt durch die Geburt des langersehnten Stammhalters (vor September 921), der nach dem Großvater Ludwig benannt wurde, 922 unbeirrt auch in W-Franken wieder die Zügel in die Hand zu bekommen. Über den Versuch, die Königsabtei Chelles seiner Tante Rothild zu entziehen, um sie Hagano geben zu können, kam es endgültig zum Eklat: Hugo, der Sohn Roberts von Neustrien, soll es gewesen sein, der die Truppen der erbosten Großvasallen, darunter nun auch des Erzbischofs von Reims, sammelte und Karl nach Lothringen abdrängte, so dass am 30.6.922 Robert, der Bruder Odos, in Reims zum (Gegen-)König erhoben werden konnte. Anders als 888 erfolgte der zweite Griff der ROBERTINERnach der Krone W-Frankens in offener Konfrontation mit einem KAROLINGER und ging unmittelbar in eine bewaffnete Auseinandersetzung von einjähriger Dauer über, bei der sich Karl der Einfältige hauptsächlich auf lotharingische Gefolgsleute stützte. Robert I. sicherte sich durch einen Freundschaftspakt, den HEINRICH I. Anfang 923 nahe der Ruhrmündung unbedenklich auch mit ihm nach dem Muster des Bonner Vertrages schloß. In der Schlacht der beiden westfränkischen Könige am 15.6.923 fand Robert den Tod, doch sein Sohn Hugo erstritt zusammen mit Graf Heribert II. von Vermandois den Sieg, indem er Karl und sein Heer in die Flucht schlug. Dennoch fiel das Königtum nicht ihm zu, dem Erben der ausgedehnten ROBERTINER-Macht (deren Übernahme ihm übrigens schon vor 914 von Karl zugesichert worden war), sondern in bewußter Abkehr vom Geblütsgedanken Rudolf, dem Sohn und Nachfolger Richards (+ 921) als marchio in Burgund, der zugleich Schwiegersohn des gefallenen Robert war. Er wurde in einem abermaligen Dynastiewechsel (zu den BOSONIDEN) am 13.7. in Soissons zum König gewählt und gesalbt. Zu neuen Kämpfen kam es nicht mehr, denn der geschlagene Karl der Einfältige ließ sich schon wenige Wochen später durch ein Täuschungsmanöver Heriberts von Vermandois überlisten und wurde dessen Gefangener, während die Königin Eadgifu mit ihrem kleinen Sohn zum Bruder Athelstan von Wessex in die englische Heimat floh.
Heribert lieferte seine Beute nicht an den neuen König Rudolf aus, sondern hielt den gestürzten KAROLINGER, für den sich in den Quellen der Zeit kaum Mitleid regt, zunächst in Chateau-Thierry, dann in Peronne in eigenem Gewahrsam, um ihn als politisches Faustpfand zu gebrauchen. 925 erzwang er die Wahl seines 5-jährigen Sohnes Hugo zum Erzbischof von Reims und seine eigene Einsetzung zum Verwalter des Reimser Kirchenbesitzes, und als ihm 927 Rudolf die wertvolle Grafschaft Laon zu verweigern wagte, holte Heribert Karl den Einfältigen aus der Haft hervor und erkannte ihn im Bunde mit den Normannen unter Rollos Sohn Wilhelm I. als rechtmäßigen König an, ohne ihm indes seine Bewegungsfreiheit zurückzugeben. Es soll sogar zu einer Begegnung beider Könige in Reims gekommen sein, bei der Karl die Pfalz Arttigny als eine Art Abfindung zugestanden wurde, doch nachdem Heribert 929 seinen Willen auch in Laon bekommen hatte, scheint davon keine Rede mehr gewesen zu sein. Jedenfalls ist klar bezeugt, dass Karl am 7.10.919 in Peronne, am Ort seiner Gefangenschaft, gestorben und dort auch bestattet ist. Das triste Ende markiert bis zur äußersten Konsequenz die Vergeblichkeit des Versuchs, allein mit dem karolingischen Namen noch einmal eine wirksame Zentralgewalt gegen die Großen zu etablieren, darf aber nicht darüber täuschen, dass Karl der Einfältige gerade im Wechselspiel mit den Gegenkräften, deren er nicht mehr Herr wurde, den geschichtlichen Weg des werdenden Frankreich wesentlich bestimmt hat.
Schwager Helmut: Seite 67-96, „Graf Heribert II. von Soissons.“
a) Der Karolinger König Karl III. der Einfältige (893/98-923)
Die Beziehungen Heriberts II. zu dem westfränkischen König, der in der ersten Hälfte der heribertinischen Herrschaft, das heißt den mindestens 15 Jahren von 900/06 bis 921, das Reich regierte, nämlich dem KAROLINGER Karl III. dem Einfältigen, sind für diese Zeit bis heute weitgehend im Dunkel der Geschichte geschrieben! Der schon mehrfach beklagte bedauerliche Mangel an erzählenden Quellen sowie Urkunden aus dieser Zeit läßt uns praktisch nur Raum für Spekulationen! Als frühestes Zeugnis sowohl der Existenz Graf Heriberts II. als auch seiner Erwähnung im Zusammenhang mit dem westfränkischen König kann erst die Urkunde Karls III. vom 6. November 907 angesehen werden, in der der KAROLINGER die Schenkung eines gewissen Odilo aus Brugny in der Grafschaft Omois für das Kloster Saint-Medard bei Soissons bestätigte. Dabei wurde ein "comes Heribertus" als Abt von Saint-Medard genannt, wobei es sich hier - betrachtet man die Jahreszahl - meines Erachtens eindeutig um Graf Heribert II. handeln muß, der die Abtei von seinem ermordeten Vater Graf Heribert I. geerbt hatte. Jedoch dürfte dies kaum etwas konkret über die heribertinisch-karolingischen Beziehungen aussagen, da der HERIBERTINER in dieser Urkunde anscheinend lediglich als zuständiger Graf von Omois und Laien-Abt von Saint-Medard erwähnt wurde. Viel wichtiger erscheint mir, dass um diese Zeit, ca. 907/10, Graf Heribert II. die ROBERTINERIN NN (+ nach 931), eine Tochter Markgraf Roberts von Neustrien, heiratete. Diese Ehe des HERIBERTINERS bedeutete aber eine politische Option für die ROBERTINER, die schon damals wiederholt mit dem karolingischen König zerstritten waren. Daher erstaunt es nicht, wenn von freundschaftlichen Kontakten zwischen dem König und dem HERIBERTINER in den folgenden Jahren nicht die Rede ist. Zwar erschien Graf Heribert II. in einer Urkunde König Karls III. vom 14. März 918 für die Abtei Saint-Germain-des-Pres, die auf Veranlassung Markgraf Roberts von Neustrien ausgestellt wurde. Doch figurierten Roberts heribertinischer Schwiegersohn und Bischof Abbo von Soissons (+ 937) hierbei als Zeugen in der Grafschaft des ROBERTINERS!
Als schließlich Anfang des Jahres 920 der langerwartete Krieg zwischen König Karl III. und der westfränkischen Aristokratie, die sich an der überragenden Stellung des lothringischen Emporkömmlings Hagano ( + nach 922) bei Hofe stieß, losbrach, befand sich Graf Heribert II. natürlich im Lager des westfränkischen Hochadels an der Seite Markgraf Roberts! Der bedrängte westfränkische König geriet kurzfristig sogar in Gefangenschaft seiner Großen, aus der ihn nur der Einsatz des Erzbischofs Heriveus von Reims (+ 922) rettete, der ihn 7 Monate lang in seiner Bischofsstadt Reims beherbergte. Währenddessen tobten in der engeren Francia die Kämpfe beider Parteien, wobei angeblich Graf Heribert II. das Kloster Corbie geplündert haben soll; erst nach langen Verhandlungen führte der Reimser Erzbischof ein "Versöhnung" beider Gruppen herbei, die jedoch brüchig blieb.
Dies zeigte sich bereits im Jahr 922, als der westfränkische Adel, nachdem König Karl III. am 17. März 922 den königlichen Kanzler Gauzlin (+ 962) zum Bischof von Tours gemacht und das vakante Kanzleramt an den lothringischen Kleriker Hagano, wahrscheinlich einen Verwandten seines Günstlings Hagano, gegeben hatte, erneut unruhig wurde.
Die Konfiskation des karolingischen Hausklosters Chelles bei Paris durch den westfränkischen König nach dem 21. April 922 ( = Ostern), der die Abtei seiner Tante Rothilde (+ 928) [Rothilde war die Tochter Kaiser KARLS II. DES KAHLEN und der Kaiserin Richilde (+ 910/14) sowie Gattin Graf Rotgers I. von Maine (+ vor 900), von dem sie die Tochter NN (+ vor 926) hatte, welche Graf Hugo der Große ehelichte.], der Schwiegermutter des ROBERTINERS Graf Hugo, nahm und sie an Graf Hagano übergab, löste erneut einen verheerenden Aufstand aus!
Die Großen Franziens verschworen sich mit den ROBERTINERN an der Spitze, wobei sie den Sturz Graf Haganos verlangten. An diesem gefährlichen Aufstand beteiligten sich neben den ROBERTINERN auch Roberts Schwiegersohn Herzog Rudolf von Burgund und dessen Bruder Graf Hugo der Schwarze von Varais (+ 952), ja offensichtlich selbst der bereits damals todkranke Erzbischof Herveus von Reims, wie später die feindselige Reaktion des KAROLINGERS gegen Reimser Kirchengut zeigen sollte. Eigenartigerweise ist hierbei von Roberts zweitem Schwiegersohn Graf Heribert II. nirgends die Rede. Stattdessen meldet der Reimser Geschichtsschreiber Flodoard (+ 966) überraschenderweise, dass sich der HERIBERTINER mit König Karl III. und dessen Günstling Hagano in Laon an der Aisne befunden hätte, von wo aus aus sie im April 922 beim Anmarsch der aufständischen Großen gemeinsam über die Maas nach Lothringen geflohen wären, um dort neue Truppen auszuheben. Dieses Verhalten Graf Heriberts II. widerspricht nun aber meines Erachtens vollständig seiner Politik sowohl vor dem Jahre 922 als auch danach, und so könnte man Zweifel an dieser Nachricht hegen, noch dazu, nachdem Flodoard die einzige Quelle hierfür ist! Andererseits ist der Reimser Kleriker die zuverlässigste Quelle für die Geschichte des W-Fränkischen Reiches im 10. Jahrhundert, und zudem spricht das Verhalten König Karls III. im Jahre 923, als sich der KAROLINGER bedenkenlos zu einer Unterredung mit Graf Heribert II., der ihm einen Seitenwechsel angedeutet hatte, bereitfand, dafür, dass vorher zumindest zeitweise schon bessere Beziehungen zwischen beiden Fürsten bestanden haben müssen! So ist anzunehmen, dass der HERIBERTINER die Auseinandersetzung nach dem Osterfest 922 entweder für eine rein karolingisch-robertinische "Familien"-Angelegenheit gehalten hat, in die er sich zunächst nicht einmischte, oder wahrscheinlicher, dass ein heribertinisch-robertinischer Zwist aus Rivalitätsgründen den Grafen kurzfristig an die Seite des Königs gebracht hat. Jedenfalls fielen der KAROLINGER und seine Anhänger - darunter Graf Heribert II. und Graf Theoderich I. von Holland (+ ca. 940) - mit einem neuen lothringischen Heer in die Güter der Reimser Kirche ein und brannten sie nieder; schließlich eroberten sie die Burg Omont südlich von Mezieres. Plünderungen und Brandschatzungen beider Seiten verwüsteten nun das Remois, Laonnais und Soissonnais. Kurz nach dem 31. Mai 922 tauchten die Lothringer schließlich an der Marne auf, wobei Epernay von den Leuten Graf Haganos geplündert wurde. Das königliche Heer lagerte nahe der Stadt Tours-sur-Marne, oberhalb von Epernay, während die aufständischen Großen unter Führung Markgraf Roberts von Neustrien und Herzog Rudolfs von Burgund drei Meilen vom königlichen Lager entfernt unterhalb von Epernay ihr Lager augschlugen. Eine Woche lang wurde dann in Abwesenheit des Königs und Graf Hagano verhandelt. Auf Seiten des KAROLINGERS standen damals noch sein gewesener Schwager Bischof Bovo II. von Chalons-sur-Marne (+ 947), der Erzkanzler Erzbischof Rotger von Trier, Bischof Stephan von Cambrai (+ 934), Bischof Balderich von Utrecht (+ 977); unter den weltlichen Großen dürften sich noch Graf Heribert II., Graf Theoderich I. von Holland, Graf Erchanger von Boulogne, Graf Walcher von Friesland, Graf Isaak von Cambrai (+ 947), Graf Adalhelm von Artois (+ 932) und der brabantische Graf Rudolf von Gouy (+ 926) befunden haben.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen griff König Karl III. am 9. Juni 922, einem Pfingstsonntag, die Stadt Reims an, wurde aber zurückgeschlagen.
Da traf die Nachricht vom Verlust der wichtigen karolingischen Feste Laon ein - Graf Hagano verlor dabei seinen Bruder und seine Schätze -, worauf beide Parteien ihre Heere dorthin verlagerten. Hier begann aber ein Teil der Lothringer den KAROLINGER zu verlassen, so dass sich König Karl III. immer weiter vor den nachstoßenden westfränkischen Großen zurückziehen mußte. Beim Flüßchen Ailette in der Grafschaft Laon wechselten Mitte Juni 922 erneut viele Große, darunter anscheinend auch Graf Heribert II., ins Lager Markgraf Roberts. So blieb dem westfränkischen König zuletzt nichts anderes übrig, als mit seinem getreuen Grafen Hagano zum zweitenmal über die Maas zu ziehen, wahrscheinlich zu seinem Anhänger, dem MATFRIDINGER Bischof Richer von Lüttich (920-945); jedenfalls hielt er sich am 15. Juni im holländischen Bladel auf. Diese Abwesenheit des KAROLINGERS in Lothringen benutzten nun die westfränkischen Aristokraten zum entscheidenden Schlag gegen ihn: Am 29./30. Juni 922 wählten die Großen der Francia und der Burgundia, darunter auch Graf Heribert II., den ROBERTINER Markgraf Robert von Neustrien im Kloster Saint-Remi bei Reims zum westfränkischen König, was eine Herrscherverlassung gegenüber dem KAROLINGER bedeutete. Drei Tage später, am 2. Juli 922, starb der schwerkranke Erzbischof Heriveus von Reims, dessen Nachfolger Seulf (+ 925) durch König Robert I. (922/23) bestimmt wurde, wodurch nun auch das Erzbistum Reims dem KAROLINGER endgültig verlorenging. Ende des 922 zeichnete sich somit bereits ein deutliches Übergewicht der aufständischen westfränkischen Adligen ab, zu denne der skrupellose Pragmatiker Graf Heribert II. noch rechtzeitig gefunden hatte.
Doch Anfang des Jahres 923 stellte der abgesetzte KAROLINGER in Lothringen ein neues Heer auf, worunter sich erneut Graf Theoderich I. von Holland befand. Unter Bruch eines bestehenden Waffenstillstandes fiel König Karl III., von Lüttich durch den Haspengau eilend und die Maas überschreitend, in die Francia ein und marschierte über Attigny gegen Soissons, wo sich Graf Heribert II. und König Robert I. aufhielten. Am 15. Juni 923, einen Sonntag, überschritten die Lothringer die Aisne und griffen die W-Franken überraschend an, woraus sich in der Nähe des heribertinischen Klosters Saint-Medard bei Soissons die Entscheidungsschlacht entwickelte. Nach schweren Verlusten auf beiden Seiten fiel König Robert I., angeblich durch den Standardenträger des KAROLINGERS Graf Fulbert getötet. Ein Sieg König Karls III. schien damit erstmalig möglich, als ein Entsatzheer der westfränkischen Aufrührer unter dem Kommando Graf Heriberts II. und Graf Hugos des Großen, Sohn des getöteten Königs Robert I., auftauchte und die Lothringer in die Flucht schlug! Damit war der KAROLINGER von seinen westfränkischen Vasallen besiegt worden; trotz des Todes König Roberts I. blieben sie nämlich im Aufstand, und Versuche des nun truppenlosen Karls III., sie wiederzugewinnen, so vor allem Graf Heribert II. und Erzbischof Seulf von Reims, schlugen fehl. Daraufhin rief der verzweifelte KAROLINGER die Normannen zu Hilfe; doch blieben Graf Rollo von Rouen und seine Seine-Normannen neutral, lediglich die Loire-Normannen unter ihrem Seekönig Rögnwald/Ragnold (+ 925/30) waren sofort bereit zu kämpfen. Als jedoch die westfränkischen Kronvasallen die Oise blockierten, mußte sich der total isolierte König Karl III. zum drittenmal hinter die Maas nach Lothringen zurückziehen. Diese Abwesenheit benützten aber wiederum die westfränkischen Großen, um sich unter Mitwirkung Graf Heriberts II. und Markgraf Hugos von Neustrien am 13. Juli 923 in Saint-Medard zu Soissons in dem BOSONIDEN Herzog Rudolf von Burgund (923-936) einen neuen König zu geben. Allerdings war seine Wahl offensichtlich das Werk einer Minderheit, was an der Tatsache erkennbar ist, daß in der Francia die Herzogtümer Normandie und Bretagne, in der Aquitania das Herzogtum Aquitanien, die Grafschaft Poitou und die Spanische Mark König Karl III. treu blieben, doch ohne ihn tatsächlich mit Waffengewalt zu unterstützen. Überhaupt führte diese politische Situation des Jahres 923 zu einer wachsenden Autonomie der westfränkischen Aristokraten, die sich ihre Parteinahme von beiden Königen teuer bezahen ließen. Dennoch war es von beiden der truppenlose König Karl III., der im August 923 praktisch am Ende war, vor allem nachdem sein verzweifelter Versuch, vom ostfränkisch-deutschen König HEINRICH I. (919-936) Hilfe zu erhalten, nur mit nichtssagenden Freundlichkeiten beantwortet worden war. Der KAROLINGER war im Innern wie nach außen total isoliert, als, wie aus heiterem Himmel, sich sein heribertinischer Blutsverwandter Graf Heribert II. mit einem Verhandlungsangebot an ihn wandte - nach K. F. Werner ein abgesprochenes Täuschungsmanöver zwischen König Rudolf und dem HERIBERTINER [Diese Theorie äußert Werner, Westfranken, 741, ohne dafür konkrete Belege oder einen zwingenden Gedankengang vorweisen zu können! Die Gefangennahme des KAROLINGERS sollte nämlich die Lage König Rudolfs keineswegs entscheidend verbessern, befand er sich doch von nun an im erpresserischen Griff seines Schwagers Graf Heribert II.] -, und König Karl III. "der Einfältige" begierig nach dem trügerischen Strohhalm griff. Denn Graf Heribert II. hielt selbst nach der totalen Entmachtung des KAROLINGERS sein politisches Ziel, nämlich den Aufstieg seines Hauses zu einer der Mittelgewalten/regna des W-Fränkischen Reiches zu bewerkstelligen, zwar für nähergerückt, aber noch lange nicht erreicht, weswegen er sich neuen Ufern zuwandte - unter anderem den Reimser Kirchengütern - wobei er glaubte, den für ihn nun ungefährlichen Karl III. als politisches Faustpfand gegen seine Schwäger König Rudolf und Markgraf Hugo von Neustrien benützen zu können. Jedenfalls sandte Graf Heribert II. seinen nichtsahnenden Vetter Graf Bernhard von Senlis (+ nach 945) mit einer Verhandlungsdelegation zu König Karl III. und deutete seine Bereitschaft zum Parteiwechsel an. Der KAROLINGER, völlig am Ende mit seinen politischen Möglichkeiten, kam nach einem Sicherheitseide Graf Bernhards ohne große Eskorte, weswegen man ihn dennoch nicht pauschal "den Einfältigen" nennen sollte. Denn erstens war Graf Heribert II. ein früherer Verbündeter, dazu karolingischer Abkunft und mit anderen Interessen als König Rudolf versehen. So betrachtete war ein Absprung des HERIBERTINERS durchaus möglich, und, wie schon gesagt, die Handlungsweise Karls III. keineswegs a priori töricht. Jedenfalls traf sich der KAROLINGER Anfang August 923, zusammen mit Graf Bernhard von Senlis und der Gesandtschaft reisend, in Saint-Quentin mit Graf Heribert II., der ihn sofort von seiner Leibgarde trennte, ihn gefangennehmen und unter Bewachung im Turm seiner Festung Chateau-Thierry inhaftieren ließ. Die Begleitung wurde anschließend einfach weggeschickt. Karls III. Gattin Eadgyfu (+ nach 951) dagegen gelang mit ihrem Sohn Ludwig IV. (+ 954) gerade noch die Flucht nach England zu ihrem Vater, dem angelsächsischen König Edward dem Älteren (+ 924). Dieses hinterhältige Verhalten Graf Heriberts II. gegen seinen legitimen Oberlehnsherrn hinterließ ein starkes Echo in zahlreichen abendländischen Quellen. Zwar übten viele Chronisten Kritik an diesem Akt treuloser Hinterlist, doch keiner der westfränkischen Adligen war wirklich bereit, für den KAROLINGER einzustehen, den viele von ihnen ja schließlich selbst abgesetzt hatten! Schon die Zeitgenossen verglichen das Schicksal König Karls III. mit dem seines Ahnen KaiserLUDWIGS I. DES FROMMEN, der ähnliche Demütigungen erdulden mußte.
Jedenfalls war der abgesetzte König Karl III. seit 923 in der Festung Chateau-Thierry inhaftiert und zwar nicht im Kerker, wie mancherorts übertreibend berichtet wird, sondern sicherlich in akzeptabler Umgebung, denn Garf Heribert wollte den KAROLINGERja nicht umbringen oder verschwinden lassen; der HERIBERTINER brauchte stattdessen einen lebenden Karl III., um mit dessen bloßer Existenz politischen Druck ausüben zu können.
Der vorerst zufriedene HERIBERTINER behielt daher Karl III. weiter in Gefangenschaft, verlegte ihn aber nach einem Brand der Festung Chateau-Thierry im Sommer des jahres 924 in die neue heribertinische Hauptfestung Peronne, wo der KAROLINGER die nächsten Jahre verbrachte.
Wichtiger wurde für Karl III. dagegen der sich abzeichnende Bruch zwischen Graf Heribert II. und König Rudolf infolge des Streitfalles um die Grafschaft Laon. Ende des Jahres 926 war nämlich Graf Rotger I. von Laon, ein getreuer Anhänger des BOSONIDEN, gestorben. Als König Rudolf Rotger II. (926-942), den königstreuen Sohn Rotgers I., zum Grafen einsetzte, brach Graf Heribert II. mit ihm und griff zu den Waffen. Zum äußersten entschlossen, griff Graf Heribert II. in dieser Situation auf den seit 4 Jahren inhaftierten KAROLINGER zurück. Er ließ Karl III. von der Burg Peronne nach Saint-Quentin bringen und dort erneut zum westfränkischen König proklamieren. Während König Rudolf vorerst im Herzogtum Burgund und in der Aquitania seine Positionen festigte, warb Graf Heribert II. in der Francia für den wiedereingesetzten KAROLINGER und griff erneut Laon an, wurde aber von den Söhnen des verstorbenen Grafen Rotger im Verein mit der energischen Königin Emma (+ 934) zurückgeschlagen. In dieser Situation wandte sich Graf Heribert II. an die letzten Verbündeten Karls III. in der Francia, die Normannen. Diese sahen sofort ihre Chance, kündigten ihren Frieden mit König Rudolf und eroberten das 925 verlorengegangene Eu zurück. Dort trafen sich schließlich Ende des Jaheres 927 Graf Rollo von Rouen (+ 928/31) und sein Sohn Wilhelm I. Langschwert (+ 942) mit Graf Heribert II. und dem KAROLINGER-König Karl III., wobei die Normannen dem KAROLINGER den Lehnseid leisteten und ein Bündnis mit Graf Heribert II. schlossen.
Anfang des Jahres 928 kam es unter Vermittlung Markgraf Hugos zwischen Graf Heribert II. und König Rudolf an der Oise zu einer Unterredung, bei der ein Arrangement ausgehandelt wurde. Danach stellte der HERIBERTINER Geiseln und versprach auf einem königlichen Hoftag vor Ostern 928 zu erscheinen. Der BOSONIDE brachte dagegen bereits damals die Möglichkeit ins Spiel, Graf Heribert II. den Besitz von Laon für ein Fallenlassen Karls III. zu konzidieren. Doch wurde eine Entscheidung vorerst vertagt. Jedenfalls begab sich der HERIBERTINER mit Karl III. nach Reims, von wo aus er einen Brief an Papst Johannes X. (+ 928) richtete, der ihn schon seit Jahren bedrängte, den rechtmäßigen westfränkischen König freizuassen Graf Heribert II. stellte sich in diesem Schriftstück zynisch als den alleinigen Verteidiger des wahren westfränkischen Königs hin, den er nun wieder eingesetzt habe. Doch kam es in der Fastenzeit, das heißt im März/April des jahres 928, dann tatsächlich zu der verabredeten Begegnung zwischen Graf Heribert II. und König Rudolf. Der HERIBERTINER durfte anschließend Laon in Besitz nehmen, einen Erfolg, den er wiederum nur der städigen Drohung mit Karl III. verdankte. Doch Graf Heribert pokerte noch viel höher, indem er mit Markgraf Hugo von Neustrien zu Graf Rollo nach Rouen zog, wo es zu einem großen Fürsten-Treffen mit anderen westfränkischen Grafen und Bischöfen kam, deren Namen aber unbekannt geblieben sind. Die versammelten Großen der Francia erkannten den mitgeführten KAROLINGER Karl III. erneut als ihren legitimen westfränkischen König an und schlossen ein Bündnis. Der Normannen-Fürst Wilhelm I., Rollos Sohn, leistete dabei dem KAROLINGER wiederum als erster westfränkischer Aristokrat den Lehnseid. Damit stand Graf Heribert II. auf dem Höhepunkt seiner Macht; er übte die eindeutige Hegemonie über die Francia aus! Doch bald schon sollte sich dei Lage ändern. Noch im Jahre 928 kam es nämlich im Herzogtum Lothringen zu einem bedrohlichen Aufstand Graf Bosos (+ 935), eines Bruders König Rudolfs, und anderer Unzufriedener gegen die ostfränkisch-deutsche Herrschaft. Verhandlungen König HEINRICHS I. mit Graf Boso bewirkten schließlich eine Beruhigung der Situation und eine allgemeine Versöhnung, die aber für Graf Heribert II. negative Konsequenzen haben sollte. Denn als der HERIBERTINER mit seinem robertinischen Schwager Markgraf Hugo nach Maastricht kam, um bei König HEINRICH I. zugunsten König Karls III. zu intervenieren, lehnte dieser überraschenderweise ab.
Daher nahm Graf Heribert II. als Pragmatiker einen politischen Kurswechsel vor, der ihn noch Ende des Jahres 928 wieder an König Rudolf heranbrachte. Gegen eine erneute Treueidleistung des HERIBERTINERS bestätigte ihm der BOSONIDE den Besitz von Laon und machte ihm Aussichten auf Apanagen für seine Söhne. Das Opfer dieses Friedens war natürlich der KAROLINGER Karl III., der nun in Reims tatsächlich erneut inhaftiert wurde. Nach einem Provence-Feldzug noch im Jahre 928 begaben sich sodann Graf Heribert II. und König Rudolf ebenfalls nach Reims, wo sich der BOSONIDE mit seinem ehemaligen obersten Lehsnherrn traf und dem KAROLINGER dabei für dessen Lebensunterhalt die königlichen Fisci Attigny und vielleicht auch Ponthion-sur-l'Ornain zuwies. Karl III. akzeptierte die "Geschenke" des nunmehrigen westfränkischen Königs, womit er faktisch stillschweigend und ohne Formalitäten abdankte. Für König Rudolf erbrachte dieser Akt politischer Klugheit die Anerkennung auch durch weitere aktive Anhänger des KAROLINGERS! König Karl III. allerdings hatte von diesem allgemeinen Friedensschluß persönlich wenig; es ist zwar unbekannt, welchen Status der KAROLINGER im Jahre 929 bei Graf Heribert II. genoß, doch dürfte der HERIBERTINER König Rudolfs Tat ignoriert und den KAROLINGER wieder in Peronne inhaftiert haben. Jedenfalls starb Karl III. "der Einfältige" nach 6-jähriger Gefangenschaft am 7. Oktober 929 auf der Burg Peronne in der Gewalt Graf Heriberts II. und wurde in der Kirche Saint-Fursy zu Peronne begraben.
Konecny Silvia: Seite 145, "Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."
Deutlicher noch als bei ARNULF, hinter dessen Ehen eine heftig umstrittene Bündnispolitik des Adels stand, trat die Annäherung des königlichen Eheverhaltens an das des Adels im westfränkischen Reich zutage. Die Ehen Karls des Einfältigen unterschieden sich von denen ARNULFS allerdings insofern, als der westfränkische KAROLINGER auf eine Gesamtherrschaft in seinem Reich faktisch völlig verzichtete und eine feste Position in Lothringen anstrebte. Damit war eine Annäherung an die übrigen westfränkischen Principes gegeben. Karl der Einfältige wurde bei der Wahl seiner Ehepartnerinnen zumindest teilweise von dieser Politik bestimmt.
Karl wurde als Vierzehnjähriger zum König gekrönt. Eine erste Verbindung ging er wohl unter der Ägide der FULCONEN ein, die seinen Herrschaftsanspruch vor allem unterstützt hatten. Auf Grund der politischen Entwicklung verlor jedoch die erste nicht näher bekannte Verbindung Karls des Einfältigen an Bedeutung, und jene Söhne, die ihr entstammten, blieben als Konkubinsöhne von einem Herrschaftsanspruch ausgeschaltet. Auch die FULCONEN förderten sie nicht, sondern unterstützten Ludwig den Überseeischen. Dieser hatte im Frankenreich keine mütterliche Verwandtschaft und eignete sich deshalb wohl besser zu einem Schattenkönig als selbst ein Kandidat aus den eigenen Reihen. Die Verbindung Karls des Einfältigen mit Friderun, die einem elsässischen Geschlecht entstammte (Richtig wohl eher sächsisches Geschlecht [IMMEDINGER]), sollte Karls Versuche unterstützen, sich im lothringischen Gebiet einen eigenen Herrschaftsbereich aufzubauen. Wie wichtig die Ehe mit Friderun war, wird an deren zahlreichen Anniversarien deutlich, die bezeugen, daß Karl die Bindungen zur Sippe seiner Gemahlin auch nach deren Tod pflegte. Friderun aber gebar keinen Sohn, und daher hatte Karl keine Möglichkeit, eine Fortsetzung seiner elsässischen Politik anzubahnen.
Nach Frideruns Tod heiratete Karl die angelsächsische Prinzessin Eadgivu. Es handelt sich um eine der wenigen Ausländerehen in karolingischer Zeit. Die Verbindung sollte wohl ein Bündnis gegen die Normannen darstellen. Nach dem Tod ihres Gatten kehrte Eadgivu gemeinsam mit ihrem Sohn, Ludwig dem Überseeischen, nach England zurück. Ludwig wurde schließlich von den ROBERTINERN zurückberufen und zum König erhoben. Die Legitimitätsfrage stand bei seiner Herrschaftsübernahme nicht im Vordergrund. Zwar wird eine Krönung Eadgivus nicht erwähnt, der Krönungsbrauch ist jedoch bei den letzten westfränkischen KAROLINGERN so häufig bezeugt, daß diese durchaus anzunehmen ist. Überdies wurde Eadgivu auch Königin genannt. Möglicherweise dotierte Karl der Einfältige seine angelsächsische Gemahlin noch zusätzlich, wie dies im Falle Frideruns deutlich bezeugt ist. Von einer Sonderform der Ausländerehe, die sich rechtlich von der Vollehe unterschied, kann hier jedenfalls nicht mehr die Rede sein.
13.4.907 1. oo Frederuna von Hamaland, Tochter des Grafen Dietrich, um 887 -10.2.917
919 2. oo 1. Aethgiva (Eadgifu) von Wessex, Tochter des Königs Eduard I., 905-26.12.956
( 951 2. oo Heribert III. der Alte Graf von Soissons 910/15-29.1.993 )
Kinder:
1. Ehe
- Irmintrud 908/09-
oo Gottfried Pfalzgraf von Lothringen - 950
- Frederuna
- Adelheid
- Gisela - 919
912 oo Robert I. Herzog von der Normandie - 931
- Rotrud
- Hildegard
2. Ehe
- Ludwig IV. der Überseeische 10.9.920/21-10.9.954
Literatur:
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