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Notizen
Dobromir Fürst der Heveller
Sohn des Heveller-Fürsten Tugumir
Lexikon des Mittelalters: Band III Seite 1150
Dobromir
Vater der Emnilda (Emnildis, † 1017), der 3. Gemahlin Boleslaws I. Chrobry. In dem 1013 niedergeschriebenen Nachtrag, der mit Notizen zur PIASTEN-Familie beginnt, die Thietmar gerade damals beim Abschluß des Merseburger Friedens auch persönlich kennengelernt hatte, findet sich der einzige Hinweis auf Dobromir. Thietmar bezeichnet ihn als "venerabilis senior Dobremirus" (Thietmar IV, 58). Woher Dobromir stammte, ist strittig. Die Palette der Deutungen reicht vom "Milsener-Fürsten" (S. Zakrzewski), Angehörigen der HEVELLER-Dynastie (J. Widajewski), Mitglied einer sächsischen Grafen-Familie (A. F. Grabski) bis zum Herrn des Krakauer Land (H. Lowmianski). Die Lösung des Rätsels bleibt an folgende Voraussetzung geknüpft:
1. Der Name Emnilda und der ihrer Tochter Regelindis, die 1002 Markgraf Hermann, den ältesten Sohn Ekkehards von Meißen, geheiratet
hat, lassen mit Sicherheit den Schluß zu, dass Dobromir zwischen 965 und 975 mit einer sächsischen Grafen-Tochter (aus der Familie
Rikdags, Geros oder der QUERFURTER?) vermählt war.
2. Der Name Dobromir selbst deutet auf Verbindungen zur HEVELLER-Dynastie (Tugumir, Drahomir) hin.
3. Boleslaws Heirat mit Emnilda (987) darf nicht aus dem Kontext piastischer Bündnispolitik und der Ereignisse von 1002, die zum Ausbruch
der Kriege HEINRICHS II. mit Boleslaw führten, herausgelöst werden. - Wahrscheinlich war Dobromir ein Fürst der Lausitz und des
Milsenerlandes.
Quellen:
Thietmar von Merseburg, ed. R. Holtzmann, MGH SRG NS IX, IV, 58, 1935 - unentbehrlich: Kronika Theitmara, ed. M.Z. Jedlicki, 1953, 225f, n. 313-318
Literatur:
SlowStarSlow I, 352 [D. Borawska] - S. Zakrzewski, Boleslaw Chrobry Wielki, 1925, 374 n. 41 - A. F. Grabski, Boleslaw Chrobry, 1966, 62 - H. Ludat, An Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971, bes. 21ff., 34ff.
Dobromir
Thietmar von Merseburg: Seite 174, "Chronik"
Kapitel 37
Im Jahre des Herrn 992, im zehnten Regierungsjahre Otto's III, am 25. Mai, ging der schon bejahrte Miseco von einem Fieber ergriffen aus diesem Pilgerleben in seine wahre Heimath hinüber, indem er sein Reich sehr vielen zur Theilung hinterließ. Indeß zog sein Sohn Bolizlav, indem er seine Stief-Mutter und seine Brüder vertrieb, und seine Verwandten Odilienus und Pribuwoi blendete, wie ein listiger Fuchs dasselbe nachher wieder in eins zusammen. Er setzte, um nur allein zu herrschen, alles Recht und Gesetz aus den Augen. Er heirathete eine Tochter des Markgrafen Rigdag [223 Wohl 984. Name unbekannt, Tochter des Markgrafen von Meißen (979-9856).], entließ sie jedoch nachher wieder; darauf nahm er eine Ungarin zur Frau, von der er einen Sohn, Namens Besprim [224 986/87. R. Holtzmann setzt ihn gleich mit Otto (VIII, 1); vgl. Anm. 226.] erhielt, die er aber auch wieder fortwies. Die dritte hieß Emnildis; sie war eine Tochter des ehrwürdigen Herrn Dobremir. Diese, eine gläubige Christin, lenkte den unbeständigen Geist ihres Gemahls zu allem Guten und ließ nicht ab, durch reiche Almosen und Enthaltsamkeit ihre und ihres Gemahls Sündenmakel zu sühnen. Sie gebar zwei Söhne, den Miseco [225 Herzog Mieszko II. = Lambertus, * 990, 1025-1034.] und einen andern, dem der Vater den Namen seines geliebten Lehnsherrn gab [226 senior = "Vater" oder "Lehsnherr"? Holtzmann = Dobromir. Jedlicki Seite 225 Anm. 313 = Otto (vgl. VIII, 1).]; außerdem drei Töchter, von denen die eine Aebtissin ist; die zweite heirathete den Grafen Herimann [von Meißen], und die dritte einen Sohn des Königs Wlodemir [von Rußland], wie ich weiter unten erzählen werde.
Ludat, Herbert: Seite 21-23,25,34,41, "An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa."
Die Lösung des Problems ist denkbar einfach: Boleslaw und Gunzelin waren in der Tat miteinander verschwägert, weil sie mit zwei Schwestern verheiratet gewesen sein müssen [108 Es bleibt merkwürdig, weshalb R. HOLTZMANN diese Möglichkeit überhaupt nicht nicht in Erwägung gezogen hat, zumal er für seine Vermutung, Gunzelin habe eine unbekannte Schwester Boleslaws zur Frau gehabt, nicht die geringsten Anhaltspunkte besaß und wohl auch schon deshalb auf die chronologische Einordnung und politische Motivierung dieser Ehe verzichtete.]: Boleslaw, wie wir durch Thietmar erfahren, mit Emnildis, der Tochter des Dobromir [109 Vgl. Thietmar IV, 58.], den er als venerabilis senior nur einmal nennt, und Gunzelin mit ihrer Schwester, deren Name nicht überliefert ist. Als Zeitpunkt für die Eheschließung Boleslaws mit Emnildis gilt 987 [110 Vgl. O. BALZER, Genealogia Piastow, Seite 63; so auch hier die bisher durchgängige Ansicht in der Forschung: vgl. die Artikel über Emnildis in: Polski Slownik Biograficzny, Band 6, 1946, Seite 267; und zuletzt in: SSS, Band 1, Seite 454; ohne Jahresangabe H. LOWMIANSKI, in: PPP, Band 1, Seite 128. - G. LABUDA datiert demgegenüber, wie er mir liebenswürdigerweise mitgeteilt hat, die Eheschließung Boleslaws mit Emnildis erst in das Jahr 989; seine Argumente hat er in seinem Beitrag zur Festschrift für K. TYMIENIECKI, die sich im Druck befindet, dargelegt. Die Schlüssigkeit meiner Ausführungen wird von der Datierungsfrage nicht berührt, wie mir Herr Kollege LABUDA nach der Lektüre dieses Manuskripts bestätigt hat.]; es war seine dritte Ehe. Da die Eheschließungen zwischen Adels-Geschlechtern in jener Zeit stets einen politischen, das heißt friedens- und bündnisstiftenden Charakter trugen [115 Vgl. unter anderem M. WIELERS, zwischenstaatliche Beziehungsformen im frühen Mittelalter, Diss. Münster 1959.], ist fraglos auch die drei Jahrzehnte währende Ehe mit Emnildis [116 Der starke Einfluß, den Emnildis nach dem Worten Thietmars (IV, 58) ausgeübt haben muß (vgl. auch ihre Charakterisierung bei GALLUS I, 13), ihre Rolle als eifrige Christin und die offenbar und die offenbar glückliche und harmonische, bis zum Tode der Fürstin im Jahre 1017 währende Ehe haben R. GRODECKI (in: Polski Slownik Biograficzny, Band 6, Seite 267) zu der Ansicht verführt, diese Ehe sei nicht unter politischen Gesichtspunkten geschlossen worden; anders hingegen schon St. ZAKRZEWSKI, Boleslaw Chrobry Wielki, Seite 66 und 374; sowie J. WIDAJEWICZ, H. LOWMIANSKI und G. LABUDA, die nie an dem bestimmenden politischen Motiv für diese so auffällig rasch nach dem Ehebund mit der Ungarin geschlossene Heirat gezweifelt haben.] aus ebensolchen Gründen zustande gekommen.
Die deutsche Forschung wußte mit Thietmars Angabe über Dobromir als Vater von Emnildis überhaupt nichts anzufangen und nahm nicht einmal von den zahlreichen Hypothesen, die polnische Historiker aufgestellt hatten, Notiz [118 R. HOLTZMANN hat dieser Frage in seiner Geschichte der sächsischen Kaiserzeit keine Beachtung geschenkt und ihre Bedeutung für die Kriege Boleslaws mit HEINRICH II. nicht in Rechnung gestellt; dazu seine Angaben in der Thietmar-Ausgabe über die PIASTEN-Familie, die an manchen Stellen (unter anderem gerade zu Dobromir, Seite 198f., n. 6 und 8) leider eine heillose Verwirrung angerichtet haben und auch von W. TRILLMICH in der neuen Freiherr-vom-Stein-Ausgabe der mittelalterlichen Geschichtsschreiber übernommen worden sind (so Seite 174f., n. 224 und 226); klärend und unentbehrlich darum besonders hier die Erläuterungen von M. Z. JEDLICKI, Kronika Thietmara, Seite 218ff. Zu der Dobromir-Stelle vgl. auch H. LOWMIANSKI, in: PPP, Band 1, Seite 128, n. 87; und M. Z. JEDLICKI, a.a.O., Seite 226, n. 318. - Lediglich H. JÄNICHEN hatte sich in seinem Buch über die Rolle der Wikinger in Polen (Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938, Seite 99ff.) eingehender mit der Frage befaßt, die nordische (!) Herkunft des Namens herausgestellt und Emnildis als Tochter eines pomoranischen Fürsten bezeichnet (dazu M. RUDNICKI, in: Slavia occ., Band 17, 1938, Seite 256f.), während K. ENGELBERT in seiner Arbeit über die Frauen der PIASTEN-Herrscher (in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Band 12. 1954, Seite 5) sie als Tochter des „Dobromir aus Slawonien" bestimmte (vgl. auch Anm. 120).]. Diese glaubten in teils scharfsinnigen, teils in gänzlich phantastischen Studien, Dobromir bald im Elbslavengebiet [119 So schon St. ZAKRZEWSKI, Boleslaw Chrobry Wielki, Seite 374, n. 41; die Lösung, in Dobromir einen Milzener Fürsten zu sehen, erschien ihm am wahrscheinlichsten.], zwischen Obodriten und Milsenerland, bald in Klein-Polen oder Slavonien ansiedeln zu können [120 Vgl. die Übersichten über die verschiedenen Ansichten in: SSS, Band 1, Seite 454; und in den Arbeiten von J. WIDAJEWICZ, in: Zycie i Mysl, 1951, H. 3/4, Seite 475ff.; DERS. , in: Slavia occ., Band 20/1, 1960, Seite 68ff.; sowie M. Z. JEDLICKI, Kronika Thietmara, Seite 225, n. 316, und Seite 232, n. 346. - J. WIDAJCWICZ ist in seinen Überlegungen zu dem Schluß gelangt, daß Dobromir zur STODORANEN-Dynastie gehört habe, dem sich kürzlich auch K. MALECZYNSKI, in: Slaski Kwart., Jg. 21, 1966, Seite 510, angeschlossen hat.]. Da auch Pommern als Heimat Dobromirs in Erwägung gezogen wurde [121 Siehe oben Anm. 118; eine Ansicht, die allerdings wegen des damals noch weithin heidnischen Charakters des Landes überhaupt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden konnte (vgl. J. WIDAJEWICZ, in: Slavia occ., Band 20/1, Seite 70).], standen nahezu alle Interessensphären der piastischen Politik zur Auswahl. Zuletzt hat A. F. Grabski sogar die Vermutung ausgesprochen, daß Emnildis die Tochter eines sächsischen Grafen gewesen sei [122 A. F. GRABSKI, Boleslaw Chrobry, Seite 62.], während H. Lowmianski mit Nachdruck die heute weithin gültige These vertrat, daß Dobromir nur im Wislanengebet zu suchen sei und die Eingliederung des Krakauer Landes mit dieser Ehe in Verbindung gestanden habe [123 H. LOWMIANSKI, in: Kwart. Hist., Band 67, 1960, Seite 961f., und zuletzt in: Malopolskie Studia Hist., Band 4, 1961, Seite 10f.; vgl. dazu die kritische Ablehnung dieser fatalen Konjekturen durch K. BUCZEK, in: Studia Zrödloznawcze, Bd. 10, 1965, Seite 130ff.].
Absolute Gewißheit, dass es sich bei Dobromir nur um eine Persönlichkeit gehandelt haben kann, die im Gebiet zwischen Elbe und Oder im Bereich der sächsischen Grafen-Geschlechter eine politische Rolle gespielt haben muß, erbringt nun folgender Gedankengang: Von den drei Töchtern, die Emnildis geboren hat, ist zwar nur die älteste, Reglindis, mit ihrem Namen bekannt [124 Von den fünf Kindern der Emnildis (vgl. O. BALZER, Genealogia Piastow, Seite 4, Taf. II) ist Reglindis wahrscheinlich das erste (oder zweite: Tochter N.N., die Nonne wurde) gewesen, geb. um 989, vermählt 1002 mit Hermann von Meißen, dem ältesten Sohn Ekkehards von Meißen, gestorben 21.3. nach 1014 (Relingis fundatrix, Regelyndis marchionissa), wie Nekrolog und Anniversarium des Naumburger Stifts ausweisen (vgl. S. HIRSCH, Jbb. Heinrichs II., Band 1, 1864, Seite 254, n. 5; vgl. Anm. 229).]. Aber die beiden Namen Emnildis (Erminildis) und Reglindis beweisen bereits, dass Dobromir seine Frau aus einem deutschen Grafen-Geschlecht genommen hat. Da nun der Name Emnildis [125 Neben Thietmar IV, 58 (Handschrift 2) hat auch der Ann. Saxo (zu a. 992) die Namensform Erminildis. - Zu dem Namen Emnild (aus Irminhild, zu as. irmin „groß, gewaltig") vgl. W. SCHLAUG, Studien zu den altsächsischen Personennamen des 11. und 12. Jahrhunderts, 1955, Seite 117, wo die Belege - darunter auch die Gemahlin Boleslaws - unter anderen neben sechs weiteren Belegen aus dem Lüneburger Totenbuch verzeichnet sind. Hierfür sind aber auch die Emnild-Belege aus dem 9. und 10. Jh. heranzuziehen (zu as. *amja „emsig"; vgl. auch J. SCHATZ, in: Zeitschrift für deutsches Altertum, Band 72, 1935, Seite 129ff.; W. SCHLAUG, Die altsächsischen Personennamen vor dem Jahre 1000, 1962, Seite 119), wo gleichfalls Boleslaws Frau aufgeführt ist. Dazu die zusätzliche Bemerkung von W. SCHLAUG, daß diese Namengruppe teilweise auch mit Irmin-Namen verbunden werden (vgl. F. STARK, Die Kosenamen der Germanen, 1868, Seite 207f.). Es lassen sich offenbar die beiden Namen Imhildis (Emnildis) und Erminildis nicht voneinander trennen.] in sächsischen Familien dieser Zeit belegt ist [126 Unter den Belegen bei W. SCHLAUG, a.a.O., 1962, Seite 119, ist das Auftreten des Namens in der Rikdag-Sippe (siehe oben Anm. 112), im Geschlecht der QUERFURTER (vgl. Thietmar IV, 16; und Stammtafel III in der Ausgabe von R. HOLTZMANN) und in der Familie des Erzbischofs Gero von Magdeburg (Thietmar VII, 55), über deren genaue Verbindung mit anderen sächsischen Geschlechtern leider nichts bekannt ist, am bemerkenswertesten. Hinzu kommt vielleicht noch die unmittelbar neben Kero (Gero) im Reichenauer Gedenkbuch (Cod. aug. col. 263; vgl. K. SCHMID, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Band 108, Seite 213) aufgeführte Eininhilt (sonst nirgends belegt, vielleicht für Erninhilt?). Auch die in den Ann. Quedl. zu 991 genannte Emnild sowie die im Merseburger Nekrolog unter 21. Sept. als Äbtissin und die ebenda am 13. 4. als sancta monialis verzeichnete Emnild sind sicherlich Angehörige des sächsischen Adels gewesen. Der in diesem Zusammenhang älteste und meines Erachtens gewichtigste Beleg ist der Name der Gemahlin des comes Siegfried, des Schwagers HEINRICHS I. und Bruders Geros, in einem verschollenen St. Gallener Verbrüderungsbuch (MGH Libri con fraternitatum, 1884, Seite 84): Herminburch (zu Irmin - vgl. W. SCHLAUG, a.a.O., 1962, Seite 120); es handelt sich um eine Schwester des Königs (vgl. K. A. ECKHARDT, a.a.O., Seite 20), deren Todesdatum 29. Dez. (Irminburg) auch der Merseburger Nekrolog enthält.], diese Grafen-Geschlechter aber - wie neue genealogisch-besitzgeschichtliche Forschungen erwiesen haben [127 Vgl. hierzu unter anderem besonders die Ausführungen von K. A. ECKHARDT, a.a.O., besonders Seite 54ff.; und die zahlreichen Beispiele in der Darstellung von R. SCHÖLKOPF über die sächsischen Grafen.] - weithin miteinander versippt gewesen sind [128 Das zeigen bei aller Vorsicht und Kritik, die gegenüber vielen, besonders ausschnitthaften genealogischen Untersuchungen zu walten haben, vor allem die neuen Arbeiten über die Grafen-Geschlechter und besitzgeschichtlichen Studien im niedersächsischen Raum, unter anderem besonders von S. KRÜGER, R. SCHÖLKOPF, R. G. HUCKE, H. W. KRUMWIEDE, K.-H. LANGE, K.A. ECKHARDT und viele andere, die sämtlich für die hier behandelten Fragen herangezogen wurden.] und viele in enger verwandtschaftlicher Beziehung zum Königs-Haus und durch sie und über die EKBERTINER auch zu den KAROLINGERN gestanden haben [129 Schon von S. KRÜGER und R. SCHÖLKOPF ist auf diese Tatsache aufmerksam gemacht worden; noch nachdrücklicher mit dem Hinweis auf das Auftreten von Namen, die auf Verbindung zum Geschlecht der Königin Mathilde und damit auf die EKBERTINER hindeuten, wie Ida, Friderun, Bia usw. speziell in der Rikdag-Gruppe und deren Umkreis, bei Haldensleben und den Querfurten Grafen, K. A. ECKHARDT, a.a.O., besonders Seite 86f.], wo ebenfalls der Name Reglindis auftaucht [130 Zum Namen vgl. W. SCHLAUG, a.a.O., 1962, Seite 144ff. mit Belegen (Ableitung von as, regin „Schicksal"). Der Name ist geradezu Leitname bei den IMMEDINGERN, der Familie der Königin Mathilde, deren Mutter Reinhilda und deren Oheim Reginbern hießen; dazu aus dem 9. Jh. der fränkische comes Reginhild (Abkömmling der KAROLINGER), von dem die Walbecker Grafen sich herleiten (vgl. R. SCHÖLKOPF, a.a.O., Seite 76 und 89 f.; dazu die Einleitung R. HOLTZMANNS zur Thietmar-Chronik, Seite VIIff.). - Beachtenswert in diesem Zusammenhang der Name des Kolberger Bischofs Reinbern!], liegt es nahe, zunächst an ihren Kreis zu denken, aus dem Dobromirs Gemahlin gestammt haben dürfte.
Mit Sicherheit läßt sich nur soviel erschließen, daß Dobromir - wohl zwischen 963 und 973 [131 Dieser Zeitraum ergibt sich aus dem Mindestalter der Emnildis, die 987 die Ehe mit Boleslaw Chrobry einging, und den politischen Vorgängen im Zusammenhang mit Geros Aktionen 963, in die Dobromir aller Wahrscheinlichkeit nach verwickelt gewesen ist (vgl. unten, Brandenburg in der Politik um die Jahrtausendwende, Seite 34ff. und Anm. 241, 242 und 260.] - wahrscheinlich eine Angehörige aus der Verwandtschaft des Markgrafen Gero oder der sogenannten Harzgrafen, zu denen die Sippe des Markgrafen Rikdag und das Geschlecht Bruns von Querfurt gehört haben [132 Vgl. hierzu besonders die in Anm. 129 genannten Arbeiten sowie W. SCHLESINGER, Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Seite 172.], geehelicht hat, da in beiden Familien der Name in jener Zeit überliefert ist [133 Vgl. Anm. 126.]. Die Frage nach der eindeutigen Familienzugehörigkeit der Mutter der Emnildis läßt sich, wie mir scheint, vorläufig jedenfalls noch nicht mit Sicherheit beantworten und muß daher offen bleiben. Aber daß der Zusammenhang, in dem Dobromir mit den sächsischen Adels-Familien gestanden haben muß, nur auf dieses Landschaften hindeutet und alle sonstigen Spekulationen über seine Herkunft und Herrschaft überflüssig macht [135 Ähnliche Erwägungen haben schon J. WIDAJEWICZ geleitet und A. F. GRABSKI veranlaßt, Dobromir sogar für einen sächsischen Grafen zu halten, was bei den engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem sächsischen und elbslavischen Adel zwar theoretisch durchaus denkbar wäre, wodurch aber der ganze Fragenkomplex noch keine Erklärung fände; außerdem böte der slavische Name in dieser Zeit auch ein gewaltiges Gegenargument, wenn auch Zwentibold, der Sohn Kaiser ARNULFS, als Parallelbeispiel angeführt werden könnte.], darf als feststehend gelten.
Es gab hier - so darf man wohl schließen - in dem Abschnitt zwischen Elbe und Neiße bis hin zur Oder eine Zone, in der sich die politischen Interessen der sächsischen Markgrafen, der PIASTEN und PREMYSLIDEN trafen und in der sich mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit die Herrschaft des senior Dobromir befunden haben muß. Wahrscheinlich stellte sie damals nur noch einen - allerdings strategisch und politisch höchst wichtigen - Restbestand eines einst größeren Machtbereichs dieser Dynastie, als Ekkehard mit der Eroberung Meißens auch seinen Einfluß auf Dobromirs Herrschaft auszudehnen begann.
Die Lausitz, höchstwahrscheinlich einmal ein Bestandteil der Herrschaft Dobromirs, hat zuvor einwandfrei zum Machtbereich der Tugumir-Dynastie gehört. Wahrscheinlich ist Dobromir damals der Herr dieser Landschaft gewesen, die Gero 963 unterwarf und auf die sich bereits der piastische Einfluß erstreckt haben mag. Es läßt sich ferner aus der Vergabe des Zehnten vom Tribut aus den Provinzen Milzsane und Lusiza, die OTTO I. der Kirche von Meißen 971 schenkte, mit Sicherheit auch der Schluß ziehen, dass Dobromir damals - und zwar gewiß seit der erneuten Unterwerfung durch Gero - dem König tributpflichtig war.
Gunzelin, nunmehr das Haupt der ekkehardinischen Dynastie, hat hierbei aktiv und entscheidend mitgeholfen, während über Ekkehards ältesten Sohn Hermann, der sich mit seiner Mutter Schwanhild damals im Frühsommer 1002 ebenfalls in Meißen befand, Thietmars Bericht schweigt, was wiederum nur als Einverständnis Hermanns gedeutet werden kann und was auch durch die kurz darauf erfolgte Heirat mit Reglindis bestätigt wird [209 Über den Zeitpunkt der Heirat und zur Haltung Hermanns vgl. unten Piasten und Ottonen, Anm. 462. In Ergänzung hierzu nur der Hinweis, daß zwischen Hermann und Gunzelin meines Erachtens damals noch keine Rivalität bestanden haben kann und daß die besonders aktive Rolle Gunzelins im Kampf um Meißen durch seine Stellung als Gemahl der Tochter Dobromirs leicht erklärlich ist (vgl. oben Anm. 207). Hinzu kommt aber noch, daß Hermann die Ehe mit Reglindis auch in der Absicht eingegangen ist, nicht nur die Stellung des Hauses der EKKEHARDINER und seine eigene nach der Ermordung des Vaters zu festigen, sondern darüber hinaus auch durch die direkte Bindung an die PIASTEN-Dynastie über die Ehe mit der Enkelin des Dobromir sich der künftigen Anwartschaft auf diese Landschaften bei Boleslaw zu versichern, was vielleicht auch erst nach Boleslaws Abzug aus Merseburg in der zweiten Hälfte des Jahres 1002 geschehen sein kann, wobei die Schenkung der eminent wichtigen Burg Strehla (vgl. Thietmar V, 18 und 36; VI, 58; VII, 21 und 23) am Elbübergang als Morgengabe an Reglindis sowohl für Boleslaw als auch für Hermann eine große Bedeutung für das wechselseitige Verhältnis gehabt haben dürfte.].
In diese Jahre fällt nun, wie wir gesehen haben, auch seine sächsische Eheverbindung, der Emnildis entstammte. Offen muß allerdings die Frage bleiben, ob anfänglich Dobromirs gesamtes Herrschaftsgebiet einschließlich des Milsenerlandes der Oberhoheit Geros unterstellt war oder lediglich die Lausitz, wobei dann Dobromirs Restgebiet, das Milsenerland, als tributpflichtiges Territorium eine relative Selbständigkeit behalten hätte, möglicherweise auf Grund einer direkten Einflußnahme seiner am Kaiserhofe hochangesehenen presmyslidischen Verwandten.
Die Kernlandschaft der Mark Geros und seines Nachfolgers Dietrich haben demnach keine größere Erschütterung im Innern erlebt, wenn man von dem Vorgehen Dobromirs und der Vergeltung durch Gero absieht [309 Vgl. oben Seite 34ff. und Anm. 242-2244; dazu die Vermutung, daß Dobromirs Vorgehen mit Mieszkos Politik in irgendeinem Zusammenhang gestanden haben dürfte, vielleicht von ihm sogar inspiriert, zumindest wohl unterstützt worden ist.].
Was dieser piastisch-ezzonische Ehebund für die Politik Boleslaws und in der Auffassung des PIASTEN-Hofes bedeutete, geht nun unmißverständlich auch daraus hervor, daß dem aus dieser Ehe im Jahre 1016 geborenen Sohn Kazimierzs noch der programmatische Beiname Karolus gegeben wurde. Er hatte übrigens einen Name erhalten, der in der Dynastie bisher unbekannt war [496 Der Name Kazimir/Kazimierz kommt in der älteren Genealogie der PIASTEN nicht vor, und man hat deshalb sein Auftauchen aus Verwandtschaftsbeziehungen zu fremden Dynastien (Pommern?) erklären wollen (vgl. St. KETRZYNSKI, in: Zycie i Mysl, 1951, S. 684), wohingegen K. JASINSKI das dortige, im 12. Jh. belegte Vorkommen dieses Namens gerade umgekehrt aus Eheverbindungen mit dem PIASTEN-Haus herleiten will (in: Studia Zrodl., Band 6, Seite 153, n. 17; zu den Verwandtschaftsbeziehungen vgl. A. HOFMEISTER, Genealogische Untersuchungen zur Geschichte des pommerschen Herzoghauses, 1938, S. 7 ff.). Wenn man von den Gepflogenheiten der Namengebung ausgeht, ist wegen des zweiten Bestandteils des Namens auch an eine Herleitung aus dem Geschlecht des Vaters der Emnildis, des Dobromir, das heißt der HEVELLER-Dynastie zu denken (siehe oben Anm. 442). Auf jeden Fall bereitet aber die Etymologie dieses Namens den Sprachforschern große Schwierigkeiten.].
ca. 963 oo N.N. (sächsische Grafen-Tochter)
Kinder:
- Emnilde um 970/75 † 1017
987 oo Boleslaw I. Chrobry Herzog von Polen 967 † 17.6.1025
- Tochter
987 oo Gunzelin Markgraf von Meißen † nach 1017
Literatur:
Ludat, Herbert: An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa, Böhlau Verlag Weimar Köln Wien 1995, Seite 21-23,25,28,31,34-36,39-41;109,118-120,131,135,209,234,242,254,257,260,265,299,309,496 - Rupp, Gabriele: Die Ekkehardiner, Markgrafen von Meißen, und ihre Beziehungen zum Reich und zu den Piasten, Peter Lang GmbH Frankfurt am Main 1996 - Thietmar von Merseburg: Chronik Wissenschaftliche Buchgemeinschaft Darmstadt 1992 Seite 174 - [1]
Wikipedia - Dobromir
Dobromir war ein slawischer Fürst des 10. Jahrhunderts wahrscheinlich in der Lausitz. Er war Vater der Emnilda, der dritten Gemahlin des polnischen Königs Bolesław I. Chrobry.
Dobromir wurde nur einmal erwähnt in der Chronik des Thietmar von Merseburg als »venerabilis senior Dobremirus« (sehr verehrter Ältester Dobremirus) 1].
Woher Dobromir stammte, ist unklar, möglicherweise war er ein Sohn des Hevellerfürsten Tugumir. Die Palette der Deutungen reicht vom »Milzenerfürsten« (S. Zakrzewski), Angehörigen der Hevellerdynastie (J. Widajewicz) 2], Mitglied einer sächsischen Grafenfamilie (A.F. Grabski) bis zum Herrn aus dem Krakauer Land (H. Lowmianski). 3]
Die Lösung des Rätsels bleibt an folgende Voraussetzungen geknüpft:
1. Der Name Emnilda und der ihrer Tochter Regelindis 4] lassen mit Sicherheit den Schluss zu, dass Dobromir zwischen 965 und 975 mit einer sächsischen Grafentochter (aus der Familie Rikdags, Geros oder der Querfurter?) vermählt war.
2. Der Name Dobromir selbst deutet auf Verbindungen zur Hevellerdynastie (Tugumir, Drahomir) hin.
3. Bolesławs Heirat mit Emnilda (987) darf nicht aus dem Kontext piastischer Bündnispolitik und der Ereignisse von 1002, die zum Ausbruch der Kriege Heinrichs II. mit Bolesław führten, herausgelöst werden.
4. Der Titel senior deutet auf eine mittlere Position hin, slawische Fürsten wurden bei Thietmar meist als dux oder princeps bezeichnet. 5] Andererseits weist die Heirat in ein sächsisches Adelsgeschlecht und in das polnische Herrscherhaus auf eine gehobene Bedeutung.
Wahrscheinlich war Dobromir ein Fürst der Lausitz und des Milzenerlandes.
Literatur
Reinhard Spehr: Christianisierung und früheste Kirchenorganisation in der Mark Meißen. Ein Versuch. In: Judith Oexle (Hrsg.): Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen (Veröffentlichung des Landesamtes für Archäologie und Landesmuseum für Vorgeschichte 23) Stuttgart 1994, S. 9–63. ISBN 3-8062-1094-2.
Herbert Ludat: Dobromir. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 3, Artemis & Winkler, München/Zürich 1986, ISBN 3-7608-8903-4, Sp. 1150–1151.
Anmerkungen
1] in dem 1013 niedergeschriebenen Nachtrag, der mit Notizen zur Piastenfamilie beginnt, die Thietmar gerade damals beim Abschluss des Merseburger Friedens 1013 auch persönlich kennengelernt hatte
2] J. Widajewicz, Skąd pochodziła Emnilda, in: Życie i Myśl, 1951, S. 482
3] Henryk Łowmiański, Początki Polski, Bd. 5, Warszawa 1975, S. 569-571
4] die 1002 Markgraf Hermann, den ältesten Sohn Ekkehards von Meißen, geheiratet hat
5] H. Łowmianski, S. 569