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Eberhard I. Graf † nach 898
Sohn des Grafen N.N. aus dem Hause der ETICHONEN
Jedenfalls scheint Eberhard III. ein Ur-Ur-Enkel eines der Eticho-Söhne Baticho, Hugo oder Haicho zu sein (Vollmer Seite 177).
Büttner, Heinrich: "Geschichte des Elsaß I. Politische Geschichte des Landes von der Landnahmezeit bis zum Tode Ottos III. und Ausgewählte Beiträge zur Geschichte des Elsaß im Früh- und Hochmittelalter"
Die Abtei Münster im Gregoriental war bereits 898 wieder im Besitz des Grafen Eberhard.
Vollmer Franz: Seite 176-178, "Die Etichonen. Ein Beitrag zur Frage der Kontinuität früher Adelsfamilien."
Graf Eberhard III. übernimmt die Eigenkirchenrechte der Abtei Lüders/Lure, die der etichonen-blütige KAROLINGER-Herrscher Lothar II. seiner Konkubine Waldrada übergeben hatte, bei deren Rückzug ins Kloster Remiremont nach Lothars Tode "consanguinitatis occasione".
Der Blutzusammenhang der von Eberhard III. ausgehenden gut bezeugten Nachkommenschaft mit den frühen ETICHONEN dürfte an sich kaum geleugnet werden können, die Frage, wie Eberhard im einzelnen abgeleitet werden muß, findet aber keine klare Antwort durch eindeutige Quellen und hat so mehr oder weniger willkürliche Annahmen gezeitigt.
Mit diesem Grafen Eberhard nun setzt um 860 die dritte etichonen-blütige Familiengruppe ein. Von nun an ist der Boden der Überlieferung nicht mehr wesentlich unterbrochen, und es bereitet keine größeren Schwierigkeiten, die Linie unter Aussparung eventuell noch ungelöster Nebenprobleme vom 9. Jahrhundert zu den Nachkommen der Hauptlinie im 12. und 13. Jahrhundert durchzuziehen. Für Eberhard und beide folgenden Generationen liefert die Vita S. Deicoli der hochburgundischen Abtei Lure/Lüders das Nachrichtengerüst, das durch Urkundenangaben weitgehend in seiner Geschichtlichkeit gesichert werden kann.
Graf Eberhard III., "comes ...bellipontes de Alsaciae partibus", hat enge Beziehungen zu Hoch-Burgund, wo er um 860/70 die Abtei Lure/Lüders nach Abtreten von Lothars II. Konkubine Waldrada wegen Verwandtschaft mit dieser usurpiert. Seine Gemahlin Adallinda, von der er einen Sohn Hugo hat, wird von ihm verstoßen; er nimmt eine Ersteiner Nonne zu sich. Möglicherweise ist Eberhard mit dem gleichnamigen Ortengau-Grafen von 888 identisch; er hätte dann also den elsässischen Nordgau und die östlich des Rheins benachbarte Ortenau gleichzeitig verwaltet, 898 ist er jedenfalls noch am Leben. Der "illustris comes Eberhardus" ist zu diesem Zeitpunkt Eigenkirchenherr-Laienabt des Klosters Münster im Gregoriental und tritt auch in Straßburg als "illustrissimus comes" auf.
Borgolte Michael: Seite 98-99, "Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie."
EBERHARD (I)
belegt als Graf 886 IV 14 - 898 111 14,
Oberer Aargau 886 IV 14 - 894 VIII 26,
Ortenau 888 V 26
Belege mit comes-Titel: W II Nr. 650 (= Fontes rerum Bernensium I Nr. 66), D Arn. Nr. 24 (= Regesta Alsatiae I Nr. 632), UB Zürich I Nr. 153, DD Arn Nrn. 88 (= Regesta Alsatiae I Nr. 643), 130 (= W II Nr. 695), Regesta Alsatiae I Nr. 650, Vita S. Deicoli 677-679 capp. 12 f.
Literatur:
Krüger, Zähringer I 589-592 - Schulze, Gaugrafschaften 4 - Büttner, Geschichte des Elsass 154 mit A. 251 - Feger, Geschichte I 236,190 - Schmid, Familie, Sippe und Geschlecht 5 mit A. 9 - Vollmer, Etichonen 178 - Krebs, Geschichte der Ortenau 138 - Keller, Einsiedeln 15f. - Wilsdorf, Les Etichonides 31f. - Flatt, Oberaargau 21 - Peyer, Zürich im Früh- und Hochmittelalter 173 - Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß 37-41,45 - DERS., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, Kap. XI
In zwei Diplomen König ARNULFS von 891 (Nr. 88) und 894 (Nr. 130) werden die Tradita "im oberen Aargau" und in comitatu Eburhardi (Hebarhardi) lokalisiert. Damit ist die Grafschaft Eberhards deutlich vor der im Augstgau abgesetzt, welche in anderen Urkunden ARNULFS einfach dem pagus Aargau zugeordnet wurde (CHADALOH II). Dem entspricht, dass in einer St. Galler Tauschurkunde aus dem Jahr 886, in der es um Liegenschaften im heutigen Kanton Bern geht (W II Nr. 650), Eberhard in der Grafenformel erscheint (siehe auch Art. ADALGOZ). Etwa gleichzeitig mit den Oberaargauer Belegen ist ein Graf Ebarhart/Eberhardus etc. im Elsaß und in der Ortenau bezeugt. Abermals aus einem Herrscherdiplom vom 26.5.888 geht hervor, dass der Priester Isanpreht auf Bitten des Grafen Ebarhart in pago Mortunouua vocato in comitatu Ebarhardi in locis Ouuanheim et Baldanheim nominatis hobas VIII erhalten habe (D Arn Nr. 24). Isanpreht soll nach dem Willen des Königs das Recht haben, den Besitz einem seiner Verwandten zu hinterlassen; nach beider Tod sind die Hufen in der Ortenau aber für das Marienkloster in Straßburg bestimmt. 10 Jahre darauf tradierte Herimuodt dem Kloster Münster im Gregoriental, das unter der Leitung Graf Eberhards und Abt Engilfrids stand, einen Teil seines Besitzes in den elsässischen Ortschaften Egisheim und Türkheim und erhielt von der Abtei die Güter und weiteren Klosterbesitz in Altdorf gegen Zins zurück (Regesta Alsatiae I Nr. 650). Die in der Urkunde dokumentierte Handlung fand am 14.3.898 in civitate Strazbuurug presente illustrissimo comite Eberhardo statt; unter den testes idonei steht der Graf an erster Stelle. Die Identität des Münsterer Klostervorstehers mit dem Grafen in der Ortenau wird dadurch sehr wahrscheinlich, dass Isanprehts Güter dereinst an ein Kloster in Straßburg fallen sollten, wo Eberhard als illustrissimus comes auftrat. Andererseits möchte ich für sicher halten, dass auch der Graf im Oberaargau mit dem Amtswalter im Elsaß und in der Ortenau personengleich gewesen ist. In dem obengenannten Diplom ARNULFS von 891 ist es nämlich monasterium Argentinensis civitatis, ubi principalis episcopii sui (sc. Biscnoi Baldrams) sedes est, also die Kirche von Straßburg, die Besitz im Aargau erhält.
Mit dieser Deutung der Belege werden bereits von anderer Seite vorgebrachte Vermutungen über eine Identität des Aargauer und des Elsässer (Flatt) bzw. des Elsässer und des Ortenauer Grafen (Vollmer) verdichtet. Den elsässischen Eberhard konnte die Forschung überzeugend in das Geschlecht der ETICHONEN einordnen (Vollmer, Büttner; vgl. aber WILSDORF). Nähere Aufschlüsse über ihn und seine Familie gibt die Vita S. Deicoli aus der burgundischen Abtei Lure/Lüders. Demnach hat comes Heberardus, der regnum Burgundionuem frequepitare erat solitus, von Waldrada, der Friedelfrau oder Konkubine, seiner Verwandten, Kloster Lüders erhalten und seinen Nachkommen vererbt. Wenn man der Chronologie der Vita folgen darf, übergab Waldrada Eberhard die Abtei, nachdem Lothar II. verstorben (869 VIII 8) und sie selbst in das Damenstift Remiremont eingetreten war (Vita 679 Z. 25-31).
Die Grafenstellung Eberhards geht im Oberen Aargau bereits in die Zeit KARLS III. zurück. Als nach dem Tod des abgesetzten Kaisers König Rudolf I. von Burgund nach Toul vorstieß, mußte ARNULFS Herrschaft im Elsaß gefährdet erscheinen. Der ostfränkische König scheint deshalb Eberhard, der sich in den burgundisch-elsässischen Verhältnissen bestens auskannte und schon länger als Aargauer Graf Nachbar des transjuranischen comes bzw. marchio Rudolf gewesen war, vor oder im Mai 888 mit der Grafengewalt im Unter-Elsaß (Straßburg) und in der Ortenau ausgestattet zu haben. Dabei hat ARNULF wohl auch das Elsaß administrativ in Nordgau und Sundgau aufgeteilt. Ob der Nordgau, die Ortenau und der Obere Aargau, die durch verschiedene Zeugnisse der Grafengewalt Eberhards zugeordnet werden, jeweils eigene Grafschaften gebildet haben oder zusammen den Comitat Eberhards ausmachten, läßt sich bei den spärlichen Zeugnissen für die drei Landschaften nicht entscheiden (Borgolte).
Vom 27. Juni 889 datiert eine Züricher "Privaturkunde", die hier abschließend erörtert werden muß. Die von Ludwig dem Deutschen gegründete Frauenabtei SS. Felix und Regula, der zunächst die Königs-Töchter Hildegart und Berta und dann Richgard, die Tochter des elsässischen Grafen Ercangar und Gemahlin KARLS III., vorgestanden hatten, wurde nach dieser Quelle zum gegebenen Zeitpunkt von Eberbart comes cum advocatu suo Adalberto geleitet (UB Zürich I Nr. 153). Eberhart hatte offenbar die Nachfolge Richgards nach deren Entlassung durch KARLS III. bzw. nach dem Sturz des Kaisers angetreten; eine solche Stellung kann er wohl nur durch König ARNULF erhalten haben, so dass der Schluß auf eine Identität Eberbarts mit Eberhart, naheliegt. Die Vermutung wird noch verstärkt durch die Beobachtung, dass die ETICHONEN im Elsaß seit langem mit den Verwandten Richgards, den "ERCHANGAREN", konkurriert hatten, diese aber nach Richgards Rückzug nach Andlau politisch entmachtet gewesen zu sein scheinen (siehe Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß 25-46). Nach der Züricher Urkunde kann Eberhard freilich noch nicht als Graf im Zürichgau bestimmt werden (so Krüger). In der Forschung hat man ihn überdies als Stammvater der NELLENBURGER (zuletzt Feger, vgl. aber Krüger; Hils, Nellenburg 47) und Verwandten Reginlinds, der Gemahlin der schwäbischen Herzöge Burchard II. und Hermann I., betrachtet (vgl. Keller 21f.; Zotz, Breisgau 86f.). Der Versuch, Eberhard als Vater der Reginlind zu erweisen (Neugart, Episcopatus Constantiensis I 184-186; Stälin, Geschichte I 553; danach Ringholz, Einsiedeln 33, Peyer,), oder die Vermutung, er sei deren Bruder gewesen (von Wyss, Abtei Zürich 16 A. 82; vgl. aber Siegwart, Chorherren 184 A. 5), haben sich allerdings nicht durchsetzen können. In die Zeit Eberhards fällt auch ein Diplom ARNULFS VON KÄRNTEN, nach dem ein Graf EBERHARD (II) in der Hattenhunta bzw. im Sülchgau amtiert hat. Eine Identität mit Eberhard ist möglich, kann aber nicht hinreichend begründet werden (anders Krüger 589f., vgl. Kimpen, Königsgenealogie 49f.).
oo Adellinda
Kinder:
- Hugo I. † vor 959
- Eberhard II.
Literatur:
Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986 Seite 98-99 - Borgolte Michael: Geschichte der Grafengewalt im Elsaß von Dagobert I. bis Otto den Großen. in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 131. Band Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart 1983 Seite 38,39 - Büttner, Heinrich: Geschichte des Elsaß I. Politische Geschichte des Landes von der Landnahmezeit bis zum Tode Ottos III. und Ausgewählte Beiträge zur Geschichte des Elsaß im Früh- und Hochmittelalter, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1991 - Legl Frank: Studien zur Geschichte der Grafen von Dagsburg-Egisheim. Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung Band 31 Kommissionsverlag: SDV Saarbrücker Druckerei und Verlag GmbH, Saarbrücken 1998 Seite 8-19,21-24,27,159-166,168-171,449,460,463,476,552,557,565 - Legl Frank: Studien zur Geschichte der Grafen von Dagsburg-Egisheim. Seite 159-166. Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung Band 31 Kommissionsverlag: SDV Saarbrücker Druckerei und Verlag GmbH, Saarbrücken 1998 Seite 159-166 - Vollmer Franz: Die Etichonen. Ein Beitrag zur Frage der Kontinuität früher Adelsfamilien. in: Studien und Vorarbeiten zur Geschichte des Großfränkischen und frühdeutschen Adels Eberhard Albert Verlag Freiburg im Breisgau 1957, Seite 176-178 [1]
Lexikon des Mittelalters: Band IV Seite 58
ETICHONEN
Adelssippe im Elsaß vom 7. bis 11. Jh. Ihr namengebender Stammvater Adalricus/Eticho (+ nach 683) war neustroburgundischer Herkunft und wirkte in den 60-er Jahren des 7. Jh. als dux des Pagus Attoariensis (Atuyer) um Dijon. Im Zuge der Adelsopposition gegen den neustrischen König Theoderich III. und den Hausmeier Ebroin ging er zum austrasischen König Childerich II. über und erhielt von diesem ca. 673 den Dukat im Elsaß. Damit begründete er die dauerhafte Stellung der ETICHONEN am Oberrhein; sie zeigte sich in der Weitergabe der Dukatswürde an Etichos Sohn Adalbert (+ 723) und Enkel Liutfrid (+ nach 739) ebenso wie in zahlreichen, für Christianisierung und Landesausbau wichtigen Klosterstiftungen (unter anderem Hohenburg/Odilienberg für Etichos Tochter Odilia, Honau, Murbach. Eticho, dessen Machtbereich bis in den Sornegau mit Münstergranfelden, der Stiftung des ersten elsässischen dux Gundoin, reichte, fand im Elsaß offenbar Anschluß an die Opposition zu den PIPPINIDEN stehende Weißenburger Gründersippe. In der Folgezeit vermochten die frühen KAROLINGER den Einfluß im Elsaß einzuschränken, und nach Liutfrids Tod ist der elsässische Dukat parallel zu den Vorgängen in Alemannien nicht mehr erneuert worden. Dennoch behielten die ETICHONEN in der 2. Hälfte des 8. Jh. wohl weitgehend ihre Positionen, wenngleich der Laienabbiat KARLS DES GROSSEN in Murbach vom Zugriff der Zentralgewalt zeugt. - Im 9. Jh. gelang den ETICHONEN, offenbar in Konkurrenz mit den gleichfalls im Elsaß verwurzelten ERCHANGAREN (ihnen entstammte Richgard, oo Kaiser KARL III.), ein neuer Höhepunkt ihre Einflusses, weit über das Elsaß hinaus: So zählte Graf Hugo von Tours (+ 837) zu den bedeutendsten Großen des Reiches schon unter KARL DEM GROSSEN, vor allem aber unter LUDWIG DEM FROMMEN. Seine Tochter Irmingard (oo Kaiser LOTHARI.) gründete 849 das Kloster Erstein. Nach dem Verlust der königlichen Gunst (828) zog sich Hugo in das Reich seines Schwiegersohnes nach Italien zurück, wo er als dux de Locate (bei Mailand) hervortrat. Nach seinem Sohn Liutfrid (+ um 865) ist die etichonische Linie der LIUTFRIDE benannt, die um 900 als mächtigste Herren im Elsaß galten, bis ins 10. Jh. aber auch Verbindungen mit Italien hielten. Sie verfügten über Münstergranfelden, bis das Kloster um die Mitte des 10. Jh. endgültig unter burgundische Herrschaft kam, und restaurierten um 900 das Kloster St. Trudpert (Breisgau), ihre Grablege. Später erscheinen sie als Grafen im Sundgau, ihre Spuren verlieren sich um 1000. Wohl gleichfalls etichonischer Herkunft war der um die Mitte des 9. Jh. bezeugte Graf Eberhard III. im Elsaß. Von ihm leiten sich die EBERHARDE her, die Vorfahren der Grafen von Egisheim (Dagsburg). Ihre Vormachtstellung am Oberrhein (vor allem elsäßischer Nordgau, Breisgau) wurde durch OTTO I. zugunsten der RUDOLFINGER geschmälert (Prozeß gegen Graf Guntram, Entzug der Herrschaft über das burgundische Kloster Lure), doch spielten sie noch im 11. Jh., zunächst gefördert durch die SALIER (Bruno von Egisheim Bischof von Toul und Papst Leo IX.), dann in Gegnerschaft zu HEINRICH IV. eine wichtige Rolle. Mit Graf Hugo, dem Stifter von St. Leo in Toul, erlosch 1089 die männliche Linie der etichonen-stämmigen DAGSBURG-EGISHEIMER.
Literatur:
NDB IV, 664 - F. Vollmer, Die E. (Stud. und Vorarb. zur Gesch. des großfrk. und frühdt. Adels, hg. G. Tellenbach, 1957), 137-184 - Ch. Wilsdorf, Les Etichonides aux temps carolingiens et ottoniens, Bull. philol. et hist. du comite de travaux hist. er scientifiques 89, 1967, 1-33 - M. Borgolte, Die Gesch. der Grafengewalt im Elsaß von Dagobert I. bis Otto dem Großen, ZGO 131, 1983, 3-54.
Büttner Heinrich: Seite 93, "Geschichte des Elsaß"
Der Gesamtbesitz des elsässischen Herzogshauses und die Ausdehnung seiner Macht- und Einflußsphäre läßt sich annähernd bestimmen, wenn man die Schenkungen an die Hausklöster als Einheit sieht. Von der Selz und dem Hagenauer Forst im N bis zum Sornegau im Berner Jura reichen ihre Güter. Im Unterelsaß werden die Schenkungen auf der Höhe von Straßburg nach Marlenheim hinüber etwas dichter, ohne aber geschlossene Bezirke von weiterer Ausdehnung zu umfassen. Nur das nördlich von Straßburg an Ill und Rhein sich erstreckende Gut von Honau war anscheinend ein größerer herzoglicher Komplex. Dicht gesät ist der ETICHONEN-Besitz in der Gegend südlich der Breusch bis hinauf nach Schlettstadt. Dann zieht sich eine Reihe von herzoglichen Schenkungen an Hohenburg, Ebersheimmünster und Murbach an der Vorbergzone der Vogesen entlang bis nach Geberschweier. Aber der Raum zwischen Schlettstadt und Rufach mit dem Mittelpunkt Colmar ist dicht im ganzen ein Gebiet, wo ETICHONEN-Schenkungen in auffallend geringer Zahl entgegentreten. Erst südlich von Rufach ist im Illgebiet über Mühlhausen, Altkirch bis nach Hirsingen und Heimersdorf wieder eine Häufung des ETICHONEN-Gutes anzutreffen. Arlesheim im Birstal und Onoldswil (Oberdorf) am Hauenstein sind die am weitesten nach dem Basler Jura vorgeschobenen Posten. Delsberg wird ausdrücklich als Herzogsgut genannt, eine Tatsache, die nur die Angaben der Vita s. Germani über das Eindringen des elsässischen Herzogtums in den Sornegau erhärtet. Westlich erstreckt sich der Besitz der Herzöge bis nach Dattenried, St. Dizier und bis zur Mömpelgarder Gegend; weiter dringt das Herzogtum nicht vor.
Nach der Unterwerfung und Wiedereingliederung des schwäbischen Herzogtums in den Verband des fränkischen Staates um die Mitte des 8. Jahrhunderts war aber ein Herzogtum im Elsaß überflüssig geworden, und so ließen Karlmann und Pippin das elsässische Herzogtum eingehen. Die Familie der ETICHONEN wurde durch diese Maßnahme in ihrem Besitz nicht getroffen. Selbstverständlich ging ihr Einfluß unter den tatkräftigen KAROLINGERN im 8. Jahrhundert zurück, aber die oberste Gewalt im Land blieb unter dem Amte der Grafschaft im Besitz der ETICHONEN und ihrer Erben und Nachkommen. Im 9. Jahrhundert rühmt der Dichter Thegan die Abstammung des Vaters der Kaiserin Irmingard, der Gemahlin LOTHARS I., vom ETICHONEN-Haus; Graf Hugo aber, Irmingards Vater, besaß große Besitzungen im Elsaß.
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Graf Hugo, der Schwiegervater LOTHARS I., der zu den einflußreichsten Persönlichkeiten seiner Umgebung zählte, besaß auch im Elsaß große Besitzungen und bedeutenden Einfluß. Seine Nachkommen verstanden es gut, ihre Stellung zu halten und zu kräftigen. LOTHARS Schwager Liutfrid erhielt den Besitz der Abtei Münstergranfelden wieder, und die LIUTFRIDEN, wie man seine Nachkommen bezeichnen kann, besaßen besonders im südlichen Elsaß große Besitzungen. In welchem Verhältnis sie zu dem anderen im Elsaß auftretenden Haus der EBERHARDINER standen, läßt sich nicht ganz sicher sagen; fest steht nur, dass die beiden Grafenhäuser durch verwandtschaftliche Beziehungen, die wohl auf die gemeinsame Abstammung vom ETICHONEN-Geschlecht zurückgehen, aber auch noch anders begründet sein können, eng miteinander verknüpft waren. Die Familie der EBERHARDE, in der dieser Name mit dem anderen Hugo am häufigsten war, wie bei den LIUTFRIDEN dieser Name mit Hugo ebenfalls wechselte, war anscheinend vorzugsweise im nördlichen Elsaß begütert, besaß aber auch die Abtei Lüders, deren Besitz auf die in ihre Verwandtschaft gehörende Walderada zurückging. Ein Graf Eberhard war im Jahr 896 im Besitz der Abtei Münster im Gregoriental.
Das Gut der beiden Grafenhäuser der LIUTFRIDEN und EBERHARDINER war nicht regional getrennt, sondern lag im ganzen Elsaß verstreut. Auch dieser Umstand deutet auf einen gemeinsamen Ursprung. Der Besitz beider Familien erstreckte sich auch auf jenen Bereich, der auch das Wirkungsfeld der ETICHONEN gewesen war, und so weist diese räumliche Abgrenzung ebenfalls auf den Zusammenhang beider mit dem elsässischen Herzogsgeschlecht hin. Thegan bezeugt die Herkunft des Grafen Hugo, des Vaters der Kaiserin Irmgard, aus dem ETICHONEN-Haus ausdrücklich. Die beiden Familien, in deren großen Verband wohl auch Erchanger, der Vater der Kaiserin Richgard, einzuordnen ist, hatten das Elsaß verwaltungsmäßig so geteilt, dass die EBERHARDINER den Norden, die LIUTFRIDEN den Süden als Grafen innehatten.
Die elsässischen Grafen griffen über den eigentlichen Bereich des Elsaß nach dem rechten Rheinufer hinaus. Ein Graf Liutfrid und seine drei Söhne Liutfrid, Hugo und Hunfrid sind maßgebend an einer Restauration des Klosters St. Trudpert im Breisgau zu Anfang des 10. Jahrhunderts beteiligt.
Der Prozeß gegen den Grafen Guntram, den Bruder der Grafen Hugo und Eberhard, ließ mit größter Deutlichkeit erkennen, dass das Reichsgut im Elsaß im 10. Jahrhundert in weitestem Umfang an das elsässische Grafenhaus gekommen war. Durch die unruhige Entwicklung der 1. Jahrzehnte des 10. Jahrhunderts im Elsaß war es gekommen, dass die königliche Gewalt ganz ausgeschaltet war; die mit den KAROLINGERN verschwägerten Elsaßgrafen waren damit ganz von selbst in den Besitz des Fiskalgutes hineingewachsen. Mit dem Eingreifen OTTOS I. im Elsaß kam sofort der Zwist mit den EBERHARDINERN. Guntram wurde verbannt, seine Brüder verloren auf kurze Zeit ihre Grafschaften. Beseitigen ließ sich die Familie der EBERHARDINER nicht, aber sie mußte sich, ebenso wie bald darauf die LIUTFRIDEN, dem Willen OTTOS I. unterordnen und seinen Plänen einfügen.
Literatur:
Borgolte Michael: Geschichte der Grafengewalt im Elsaß von Dagobert I. bis Otto den Großen. in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 131. Band Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart 1983 [2]