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Notizen
Richgard (Richardis) Ostfränkische Königin
römische Kaiserin
um 840-18.9.906/09 Kloster Andlau Begraben: Kloster Andlau
Tochter des Grafen Erchanger
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 827
Richardis (Richgard), Kaiserin
* um 840, +
Als Tochter des elsässischen Grafen Erchangar, verheiratet seit 861/62 mit KARL III., der damals als ‚Rector‘ (Graf) im Breisgau amtierte. Obschon durch den König und Kaiser unter anderem mit mehreren Reichsklöstern ausgestattet, gründete Richardis auf väterlichem Erbgut im Elsaß das Nonnenkloster Andlau, das sie 881 anläßlich der Kaiserkrönung KARLS dem heiligen Petrus tradierte. Die Herrscherin gebar ihrem Gemahl keine Kinder; dem Vorwurf der Unzucht mit Erzkanzler Liutward von Vercelli begegnete sie 887 mit der Behauptung der Jungfräulichkeit, sie verließ jedoch den Hof noch vor KARLS Sturz und zog sich nach Andlau zurück. Im Bistum Straßburg wurde Richardis bald als Heilige verehrt (Fest 18. September), Papst Leo IX. erhob 1049 ihre Gebeine.
Quellen:
MGH DD Karol. Dt. II, 326-328 – A. Bruckner, Reg. Alsatiae I, 1949, 390-395 Nr. 656
Literatur:
M. Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß, ZGO 131, 198, 25-35 - Helvetia Sacra 3/1, 1986, 335f.,352f., 1996 - R. Schieffer, Die Karolinger, 1992 - D. Geuenich (Festschrift E. Hlawitschka, 1993), 106-109.
Werner Karl Ferdinand: Seite 458, "Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)"
IV. Generation 23
KARL III. wurde nicht 884 Kaiser, sondern 881 II 12. Auf diesem Versehen von Brandenburg ist darum zu insistieren, weil er zusammenfassend bemerkt "Herrscher des fränkischen Gesamtreiches, Kaiser, 884". Die Inbesitznahme aller regna (das W-Reich erst 885) hat aber mit dem Erwerb der Kaiserwürde, deren Bedeutung inzwischen auf Italien und Rom beschränkt war, nichts zu tun. - KARLS Absetzung durch die ostfränkischen Großen galt, was häufig nicht beachtet wird, nur für diese, nicht zum Beispiel für W-Franken, deren Thron erst mit KARLS Tod vakant wird. Wichtig sind die Bemerkungen von E. Ewig (wie oben, Anm. zu IV,5), wonach erst die Absicht KARLS, LUDWIG III., den Sohn Bosos von Vienne und Enkel Kaiser LUDWIGS II., zum Nachfolger im Gesamtreich zu machen (diese Absicht darf als gesichert gelten), den Aufstand ARNULFS auslöste.
Wir wissen sicher, daß KARLS Ehe mit Richardis kinderlos war denn sonst hätte die Kaiserin 887 nicht erklären können (ganz unabhängig von der Richtigkeit dieser Angabe), ihre Ehe sei nie vollzogen worden (so schon Regino von Prüm, vgl. Dümmler 3, 284). Da muß es überraschen, daß Brandenburg dem Kaiser einen ehelichen Sohn Karlmann, mit dem Vermerk "+ 876" zuschreibt (B. V,14). Er beruft sich dabei auf Dümmler 3, 292, Anm. 3, von dem die Ann. Alamann. 876 zitiert werden ... Karolomannus filius KAROLI (und andere) obierunt. Aber Dümmler bemerkte dazu im Obertext, es müsse dahingestellt bleiben, ob KARL III. außer Bernhard noch einen anderen unehelichen Sohn, Karlmann, gehabt habe. Doch können wir diesen vermeintlichen KAROLINGER ganz streichen. Dümmler hat nämlich denselben Beleg schon einmal 2, 359, Anm. 1 verwendet (und verweist auch, was Brandenburg hätte beachten sollen, auf diesen Umstand), um den Tod von KARLS DES KAHLEN Sohn Karlmann zu datieren, der noch Anfang 876 gelebt habe, wie aus einer Urkunde Papst Johannes VIII. für Karlmanns Abtei S.-Medard de Soissons hervorgeht. Im Gegensatz zu Dümmlers unentschiedener Haltung in Band 3 seines Werkes müssen wir betonen, daß die Annalen ohne jeden Zweifel den Sohn KARLS DES KAHLEN gemeint haben. Für sie war "Karolomannus filius KAROLI" eine eindeutige Definition, denn es gab sonst keinen KARL, der einen Sohn dieses Namens hatte. Der westfränkische Karlmann ist auch tatsächlich 876 gestorben, denn kaum war sein Vater, KARL DER KAHLE, der ihn blenden ließ, Ende 877 gestorben und hatte sein Bruder Ludwig der Stammler, nach anfänglichen Schwierigkeiten, die Regierung angetreten, da stiftete dieser am 8. Februar 878 ein Seelgedächtnis für Karlmann in dessen Kirche S.-Medard (HF 9, 416f.; dort irrig zu 879 datiert). Zum Todesdatum der Richardis äußert sich Brandenburg nicht. Tag und Monat sind überliefert: IX 18, vgl. Dümmler 3, 285. Die ebd. für den Terminus post des Todesjahres herangezogenen sogenannten Andlauer Statuten "von 892 oder 893" kommen nicht in Betracht, da sie eine Fälschung des 11. Jahrhunderts sind. Verfälscht, aber doch im Kern echt, wie der Hg. angezeigt hat, ist ein Diplom Ludwigs des Kinds von 906/09 für Andlau, ed. Th. Schieffer, MG, Die Urkk. d. dt. Karolinger 4,1963, 200-203, nr. 68 (vgl. dort 202 zu den Andlauer Statuten und 200, Z. 25f. zum Datum). Hier wird Richardis als verstorben genannt und die Nachfolge der Ruuddrudis in der Leitung von Andlau geregelt. Erneute Bestätigung ist das Diplom Karls des Einfältigen von 912 II 3 (Lauer nr. 125), das, wie Schieffer ebd. gegen den Hg. Lauer zeigt, keine Fälschung ist, sondern nur interpoliert wurde.
Rappmann Roland/Zettler Alfons: Seite 433, Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998
RICHGARD
+ 18.9. ca. 900 (vor 906/08)
Necr. B 18.9. "Rihcart imperatrix", Gemahlin KARLS III.
Literatur:
Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches 2 Seite 36, 3 besonders Seite 284f; BM² 1350a, 1574a, 2063; Vogelsang, Die Frau als Herrscherin Seite 20; Büttner, Kaiserin Richgard; Werner, Nachkommen Seite 451f Nr. 23, Tafel IV/23; Konecny, Die Frauen Seite 141f.; Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß Seite 25ff.
Zum Todestag: Dümmler, ebd. 3 Seite 285 Anmerkung 3; Werner, ebd. Seite 452.
Die Tochter des Grafen Erchanger vom Alp- und Breisgau war die Gemahlin des der Reichenau besonders eng verbundenen Kaisers KARL III.; zu Graf Erchanger bzw. Richgards Vater vgl. Borgolte, Karl III. Seite 38f. und Dens., Die Grafen Alemanniens Seite 106.
Richgard bekam von ihrem Gemahl eine Reihe von Klöstern, vorwiegend im alemannischen Raum, übertragen (zum Beispiel Zürich, Säckingen, Zurzach und Pavia), die teilweise in Verbrüderungskontakt zur Reichenau standen, wie Geuenich, Listen Seite 234ff. aufzeigen konnte. Sie zog sich nach der Trennung von KARL im Jahre 887 in das von ihr gestiftete Nonnenkloster Andlau im Elsaß als Äbtissin zurück, wo sie vor 906/08 starb und ihr Grab fand. Beziehungen zur Inselabtei deuten sich zudem in KARLS III. Schenkung der Abtei Zurzach an seine Gemahlin im Jahre 881 an. Dabei bestimmte der Herrscher, daß Zurzach nach seinem Tode demjenigen Kloster zufallen sollte, das er sich als Grabstätte ausgesucht habe, was ja bekanntlich im Jahre 888 auf die Reichenau zutraf; zur Schenkung etc. vgl. BM² 1624, Beyerle, Von der Gründung Seite 112f., Reinle, Die heilige Verena Seite 14 und Geuenich, Listen.
Wahrscheinlich wurde Richgard zusammen mit ihrem Gemahl, dessen Eltern und Geschwister in dem Liber viventium von Pfäfers p. 41A1 eingetragen.
Treffer Gerd: Seite 56-58, "Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert)"
Richarde von Schwaben - vom unaufhaltsamen Aufstieg und plötzlichen Fall
* um 845, + ?
Gemahlin KARLS DES DICKEN (* 839; König: 876-888; Kaiser 881)
Als Richarde, eine schwäbische Prinzessin mit 17 Jahren 862 den letzten Sohn Ludwigs des Deutschen heiratet, rechnet sie sich sicher keine große Zukunft aus. Vierzehn Jahre ist sie verheiratet, als KARL beim Tod seines Vaters Alemannien mit dem Elsaß erbt, ganz nach der Logik der fränkischen Erbgepflogenheiten. Richarde ist nun einunddreißig. Über eine Reihe von familiären Todesfällen wird sie an der Seite ihres Mannes immer höher steigen. 876 bietet der Papst ihrem Mann zwei - durch den Tod KARLS DES KAHLEN freigewordene - Kronen an: zuerst die eines Königs von Italien und später die kaiserliche. Richarde wird also im Rahmen einer ferierlichen Salbung 881 in Rom Kaiserin.
Im folgenden Jahr sterben die beiden älteren Brüder KARLS: er erbt das fränkische Ostreich. Im Dezember 884 ist dem Kaiserpaar das Schicksal erneut hold: Karlmann, der König des W-Frankrenreiches, stirbt. Wer soll ihm nachfolgen? Das vierjährige Kind Karl, der Sohn Adelheids und Ludwigs des Stammlers? Die Großen des W-Reiches rufen Richardes Mann. Weniger vielleicht, weil er aufgrund seiner anderen Ämter die Wiedervereinigung des fabulösen Reiches seines Großvaters, KARLS DES GROSSEN, erwarten läßt, sondern weil er, vielfältig beschäftigt, kaum in der Lage sein wird, ihnen ihre Vorrechte streitig zu machen.
Im Juni 885 begleitete Richarde ihren Mann nach Ponthion, wo er als König der W-Franken die Treueschwüre der Barone und die Segnung der Bischöfe entgegennimmt. Die Königin bekümmert, daß sie keine Kinder hat. 864 hatte sie nach zwei Ehejahren einen Sohn geboren. Aber dieser Karlmann ist 876 verstorben, noch vor ihrem unerwarteten Aufstieg zur Königinnen- und Kaiserinnenwürde. Ein immenser Verlust für die Mutter, der ihr immer mehr bewußt wird. Sie wird keine weiteren Kinder mehr haben. [Hier ist dem Autor eine Verwechslung mit KARL DEM KAHLEN und dessen aufsässigem Sohn Karlmann, der 876 starb, unterlaufen. Wie hätte sie denn 887 dem Vorwurf des Ehebruchs mit der Behauptung von ihrer Jungfräulichkeit begegnen können, wenn sie 864 einen Sohn geboren hätte?] Das königliche Paar läßt sich in Paris nieder. Sich ihrer neuen Privilegien zu erfreuen, wird Richarde keine Zeit mehr haben - kaum vier Monate später, im November 885 schon, taucht die schreckliche Normannenflotte vor der Ile de la Cite, dem Herzen von Paris auf: 700 Kriegsschiffe, 40.000 Krieger, sagt man. Die Angriffe sind fürchterlich. Und ihr Mann macht eine erbärmliche Figur. Während Odo, Graf von Paris, die Stadt tapfer hält, braucht KARL ewig lang, bis er heranzieht. Endlich erschienen, wagt er - trotz einer Übermacht von drei zu eins - den Kampf nicht und sucht sein Heil in der Bestechung des Gegners. In den Ananlen von St. Vaast steht: "Und es wurde ein wahrhaft erbärmlicher Beschluß gefaßt. Denn nicht nur wurde ihnen für die Stadt eine Loskaufsumme versprochen und gegeben, sondern auch ohne irgendwelche Behinderung ihen freier Weg gelassen, um im Winter Burgund zu plündern." Der Chronist Regino von Prüm schildert den weiteren Verlauf so: Dann zog KARL ab "und begab sich geradewegs nach Alemannien. Im November 887, um den Todestag des heiligen Martin etwa, kam er nach Tribur und berief dorthin einen allgemeinen Reichstag. Als die Großen des Reiches sahen, daß nicht nur seine Körperkraft, sondern auch sein Verstand ihn verließ [KARL war im Kloster Reichenau am Bodensee trepaniert worden] ... fallen [sie] in einer plötzlichen Verschwörung vom Kaiser ab, ... so daß nach drei Tagen kaum jemand übrig blieb, der ihm auch nur die Pflichten der Menschenliebe erwiesen hätte ..."
KARL stirbt am 13. Januar 888. Frankreich, auch das Reich, läßt er in einer dramatischen Situation zurück. Die Königin, die keinem der Reiche einen Erben bieten kann, zieht sich in ein Kloster zurück und nimmt den Schleier. Sie mag über den langen, unaufhaltsamen Aufstieg ihres Mannes und den plötzlichen Fall, über ihr Leben meditiert haben wie der Chronist Regino: "Es war ein der Betrachtung würdiges Ereignis und für die Schätzung des menschlichen Loses durch den Umschwung der Dinge erstaunlich: Denn wie zuvor, indem alles in unglaublicher Fülle zuströmte, ein günstiges Geschjick so viele udn so große Königreiche ohne Mühe und Schweiß, ohne Anstrengung und Kampf ihm zugeführt hatte, so entriß ihm jetzt ein widriges Geschick in einem Augenblicke alles, was es ihm einst ruhmvoll und im Übermaß göttlicher Gnade verliehen hatte." Schwester Richarde in ihrem Kloster hatte am eigenen Leib erprobte Erfahrungen genug, über die Eitelkeit der Dinge, insbesondere die des Glanzes der Macht nachzusinnen. Unbekannt bleibt, wann diese einst "erste Frau des Abendlandes" starb.
Unbestreitbar steht nach KARLS DES DICKEN Tod der französische Thron Karl, dem Sohn Adelheids und Ludwigs des Stammlers, zu. Der achtjährige Karl hat aber wiederum keine Chance, seine Rechte geltend zumachen Und Odo, der brillante Verteidiger von Paris, hat seine eigenen Absichten: er läßt sich von den Baronen im Februar 888 in Compiegne zum König wählen. Er sagt sich, daß ein Dynastiewechsel in der Geschichte dees Landes ja nicht vorbildlos ist. Letztlich bleibt er ein Zwischenspiel zwischen zwei KAROLINGERN. (Noch ist die Zeit für sein Geschlecht nicht reif - einer seiner Nachfahren wird dann Hugues Capet sein.) Odo kämpft tapfer gegen die Normannen und der KAROLINGER-König des O-Reiches, ARNULF, erkennt ihn in Worms an. Kein Sieg ist ihm allerdings gegen die Barone im S beschieden. Der Kampf gegen die Herren zieht sich hin, und der Erzbischof von Reims holt den legitimen Thronerben zurück, salbt ihn am 28. Januar 896 zum Gegenkönig: Karl III., der Einfältige. Er ist nicht einfältig; Odo hat die militärische Macht. Karl findet den "modus vivendi", erkennt Odo an und wartet in seiner Lieblingsstadt Laon ab. Frankreich hat jetzt zwei gesalbte und anerkannte Könige, die sich stillschweigend dulden, um einen blutigen Krieg zu vermeiden und auf den Tod des anderen warten, umd diese Schwebesituation zu beenden.
Odo stirbt plötzlich 898 undKarlist zur großen Freude einiger Barone alleiniger König. Sie glauben, mit dem 19-jährigen leichtes Spiel zu haben. Unter konzilanten Äußeren allerdings verborgen bleibt, daß Karl ein großer König sein wird. Neun Jahre nach seiner Throneroberung wird er Frederune heiraten.
Richgard hatte zwischen 878 und 880 eine Reihe von Frauenklöstern übertragen erhalten. In den Bereich der Hofintrigen gehört es, wenn sie beschuldigt wurde, Ehebruch mit dem langjährigen Berater ihres Gemahls, Bischof Liutward von Vercelli, begangen zu haben. Da die seit 862 bestehende Ehe kinderlos blieb, versuchte ihr Gemahl vergeblich, einen KAROLINGER als Nachfolger zu adoptieren. Vermutlich gehört auch Richgards Klostereintritt in das Kloster Andlau 887 in den Rahmen der Bemühungen um einen legitimen Nachfolger. Da KARL III. öffentlich bekannte, niemals mit ihr geschlechtlich verkehrt zu haben, konnte die Ehe annulliert werden und dem Kaiser stand es frei, sich erneut zu verheiraten.
Büttner Helmut: "Geschichte des Elsaß"
Besondere Zuwendungen machte KARL III. seiner Gemahlin Richgard. Die bedeutendsten Frauenabteien seines Gebietes wurden in ihrer Hand vereinigt. Bereits im Februar 878 wurde Richgard mit den Frauenabteien zu Säckingen am Hochrhein, dessen Besitz bis zum Walensee und nach Glarus reichte, und zu Zürich, dessen Güter und Rechte entlang den Ufern des Zürichsees sich erstreckten und bis in das Gebiet des Vierwaldstättersees hinübergingen, gegeben. Im Juli 880 bestätigte der König eine Rechtsfestsetzung seiner Gattin am Elsaß; eine weitere Vergabung an Richgard erfolgte im Oktober 881, als KARL III. in der Pfalz Bodman weilte. Damals wurde Richgard das Nonnenkloster St. Marinus zu Pavia auf Lebenszeit überlassen, gleichzeitig wurde auch das Klösterchen Zurzach am Hochrhein an die Kaiserin übertragen.
Am 10. Juli 880 bestätigte KARL III., dass seine Gattin einige Hufen ihres Eigengutes in Meistratzheim und Bergheim im Elsaß an Walpurga und deren Gatten Huto vergabte, aus deren Besitz das Gut dann letztlich an die Kirche in Andlau gelangen sollte. Diesem Ort, der zu ihrem Familiengut gehörte, wandte Richgard ihre besondere Neigung zu. Zwischen 880 und 884 gründete sie hier einen Frauenkonvent, der ihr Andenken im Elsaß lange Jahrhunderte wach hielt. Während des Aufenthaltes in Rom, während der Kaiserkrönung im Februar 881 oder auch während des langen Aufenthaltes KARLS III. im Jahr 883 in Italien, war die neue Gründung von Richgard dem römischen Stuhl tradiert worden. Entsprechend der Vorliebe Richgards für Andlau erhielt dieses Kloster, dessen Leitung die Kaiserin gleichfalls innehatte, eine reiche Ausstattung. Um dieselbe Zeit ungefähr erhielt Richgard von ihrem Gemahl auch das Westvogesen-Kloster Etival zugewiesen, das sie an Andlau weitervergabte.
Auch Richgard wurde in die Händel, die zum Sturz des Erzkanzlers Liutward führten, hineingezogen und zog sich in ihre Stiftung nach Andlau zurück.
Andlau selbst wurde auf Erbgut Richgards gebaut; ein beträchtlicher Familienbesitz des Grafen Erchanger wird vorhanden gewesen sein und ist unter den Ausstattungsgütern Andlaus zu suchen. Auch das weitere Waldgebiet Andlaus, dessen Kernstück die spätere Grafschaft Dagsburg darstellte, ist von Erchanger an Richgard und von dieser an Andlau übergegangen. Darin ist aber zweifellos wiederum ein großer Teil ehemaligen Reichsbesitzes enthalten.
Schieffer Rudolf: „Die Karolinger“
Noch in Kirchen (Ende Mai 887) ließ sich der Kaiser, der eben LUDWIG von Burgund an Sohnes Statt angenommen hatte, nötigen, seinen bis dahin allmächtigen Erzkanzler Liutward von Vercelli vom Hof zu verweisen und durch Erzbischof Liutbert von Mainz zu ersetzen, laut Reginos Chronik unter der Beschuldigung des Ehebruchs mit der Kaiserin Richgard. Während sich Liutward angeblich zu ARNULF begab, soll sich Richgard mit der Beteuerung gerechtfertigt haben, in 25 Ehejahren unberührt geblieben zu sein, trennte sich von ihrem kranken Gemahl und zog sich in das von ihr gegründete Kloster Andlau zurück. Dass dies alles geschah, um KARL eine neue Ehe und doch noch Nachwuchs zu ermöglichen, ist bloß eine vage Vermutung.
Mühlbacher Engelbert: Seite 410, "Deutsche Geschichte unter den Karolingern"
Der lange gehegte Groll gegen den verhaßten Günstling Liutward kam im Sommer 887 auf einem Reichstag in Kirchen zum Ausbruch. Seine eigenen Landsleute, die Alemannen, hatten sich zu seinem Sturz verschworen. Um ihn zu Fall zu bringen, griff man zu den wirkungsvollsten Mitteln: Man verdächtigte seine Rechtgläubigkeit und zieh ihn eines sträflichen Verhältnisses zur Kaiserin. Schwerer noch fiel die andere Anklage ins Gewicht, die Anklage des Ehebruchs mit der Kaiserin, mit der er in vertraulicheren Beziehungen stände, "als nötig sei".
Nach dem Sturz Liutwards bestand die Kaiserin Richarda um so kräftiger auf der Verteidigung ihrer weiblichen Ehre. Sie forderte von ihrem Gemahl öffentliche Genugtuung für die ihr angetane Schmach. "Nach wenigen Tagen", so berichtet der gleichzeitige Chronist Regino von Prüm, "ruft der Kaiser seine Gemahlin Richarda wegen dieser Sache vor die Reichsversammlung und - es ist wunderlich das zu erzählen - erklärt öffentlich, dass er niemals mit ihr fleischliche Gemeinschaft gehabt habe, obwohl die durch mehr als ein Jahrzehnt" - genau gerechnet, durch volle 25 Jahre - "in gesetzmäßigem Ehebund mit ihm vereint gewesen sei. Sie hinwieder beteuert, dass sie von jeder geschlechtlichen Beziehung nicht nur zu ihm, sondern zu jedem Mann rein sei und rühmt sich ihrer unversehrten Jungfräulichkeit und erbietet sich zuversichtlich - sie war nämlich eine fromme Frau - dies nicht nur durch ein Gottesgericht, nach dem Belieben ihres Gemahls entweder durch gerichtlichen Zweikampf oder durch die Probe der glühenden Pflugscharen, "zu beweisen". Auf diesen Beweis verzichtete der Kaiser, doch die Sage ließ sich diesen drastischen Zug nicht entgehen. In fantastischer Ausschmückung berichtet sie von einer Feuerprobe, der die verleumdete Kaiserin sich unterzogen habe; sie habe ein Wachshemd auf bloßem Leibe angezogen, dieses sei an vier Enden angezündet worden und ihr jungfräulicher Körper unverletzt geblieben, der Verleumder aber habe die Lüge am Galgen gebüßt. In Wirklichkeit trennte sich die Kaiserin von ihrem Gemahl und zog sich in das von ihr gestiftete Kloster Andlau im Elsaß zurück. Allda ist sie auch selig verstorben und bald galt sie als Heilige; Papst Leo IX. kam, als er 1049 in Deutschland weilte, selbst nach Andlau zur feierlichen Erhebung und Übertragung ihrer Gebeine in die von ihm geweihte Kirche und noch nach Jahrhunderten zeigte man im Kloster Etival das unversehrte Wachshemd, welches sie bei jener Feuerprobe getragen haben soll, als kostbare Reliquie.
Konecny, Silvia: Seite 140,147, "Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."
KARL III. ging ebenfalls zu Lebzeiten Ludwigs des Deutschen zwei Ehen ein. Einer dieser Verbindungen entstammte ein Sohn, den die Quellen "ex concubina natus" nennen, während die zweite allgemein anerkannte Ehe kinderlos blieb. Die erste Ehe schloß KARL III. vermutlich 862 mit einer Tochter des Erchanger, in der wohl die Mutter Bernhards, des einzigen Sohnes KARLS III., zu sehen ist. Als Datum des Eheschlusses fügt 862 sich zeitlich sehr gut zu einer ersten Phase der Opposition der Söhne gegen Ludwig den Deutschen, was deren Eheschlüsse bewirkt haben dürfte. Erchanger gehörte zu einem fränkischen Adelsgeschlecht, das vermutlich im "Ehestreit" Lothars II. eine beträchtliche Rolle spielte. Wahrscheinlich hing die militärische Hilfe, die Ludwig der Deutsche seinem Neffen Lothar 862 leistete, mit der Ehe KARLS III. zusammen. Dieser brauchte, wie die Quelle eigens betont, wegen seiner Heirat dem Vater keine Gefolgschaft für militärische Aktionen im Mittelreich zu leisten. Allgemein sieht man allerdings in der als Richgardis bekannten und kinderlosen Ehefrau KARLS III. die Tochter des Erchanger und hält Bernhard für den Sohn einer unbekannten Konkubine. Gegen diese Hypothese sprechen jedoch mehrere Indizien. Erstens war Bernhard ein häufiger ETICHONEN-Namen, zweitens gab Richgardis 887 die Dauer ihrer Ehe mit etwas mehr als 10 Jahren an, und drittens stimmt auch in ihrer Dotationsurkude die Angabe der Indikation nicht mit dem Jahresdatum 862 überein. Richgardis nahm KARL III. vermutlich erst 873 zur Frau. Er scheint damit dem Wunsch seines Vaters nachgekommen zu sein, die Vollziehung der Ehe lehnte er jedoch mit diplomatische Geschick ab. Er legte nämlich zwar 873 auf Wunsch seines Vaters einen Treueid ab, entschloß sich jedoch - wie allerdings nur die westfränkische Historiographie nicht ohne Schadenfreude zu berichten weiß - zu einem Keuschheitsgelübde. Damit blieb die Ehe, die der Vater veranlaßt hatte, wohl unvollzogen. Dies wird 887 durch eine Aussage der Richgardis in ihrem Eheprozeß ebenso bestätigt, wie durch deren Kinderlosigkeit. Im Jahre 881 versuchte KARL III. zunächst, seine ohnehin schwache Position nicht noch durch eine Eheaffaire zu verschlechtern, die von den politischen Gegnern zweifellos aufgegriffen worden wäre. So wurde Richgardis zur Kaiserin gekrönt, obwohl KARL III. die Verbindung mit ihr ursprünglich abgelehnt hattte. Die Ehe blieb jedoch auch nach 881 kinderlos und 887 unternahm KARL III. alle Anstrengungen, seine Ehe mit Richgardis zu lösen, vermutlich um seinen Sohn Bernhard zu legitimieren. In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch jene sogenannte Dotationsurkunde der Richgardis zu beurteilen, die möglicherweise erst 873 ausgestellt wurde und neben der Vordatierung auch andere Spuren der Überarbeitung aufweist, die auf die Legitimierung eines etwa 862 geborenen Nachkommen KARLS III. abgezielt haben könnten. KARL III. war jedoch nicht mächtig genug, einen Anspruch Bernhards durchzusetzen.
In einem Prozeß gegen Richgardis wurden jene Beschuldigungen erhoben, mit denen man auch gegen Judith, die Gemahlin LUDWIGS DES FROMMEN, vorausgegangen war. Gemeinsam mit Richgardis verdächtigte man Liutward von Vercelli, der wie ehemals Bernhard von Septimanien den ersten Platz unter den Ratgebern des Herrschers einnahm. In ähnlicher Weise hatte sich in der ersten Phase des "Ehestreits" Lothars II. der Verdacht der Unzucht gegen Teutbergas Bruder Hukbert, einen politisch mächtigen, jedoch unliebsam gewordenen Ratgeber Lothars II., gewandt. Später wurde im "Ehestreit" allerdings die Auflösung einer kinderlosen Ehe angestrebt, die einer zweiten rechtmäßigen Heitrat und damit der Legitimierung eines Nachfolgers im Wege stand. Der Vorwurf des Ehebruchs war dabei nur mehr eines von mehreren Argumenten für eine Scheidung. Der Prozeß gegen Richgardis sollte beide oben erwähnten Funktionen erfüllen. Der Vorwurf des Ehebruchs richtete sich vor allem gegen Liutwart von Vercelli und führte schließlich zu dessen Vertreibung vom Hof. Gleichzeitig wurde aber auch eine ordnungsgemäße Scheidung der Ehe KARLS III. und der Richgardis angestrebt, da die Verbindung kinderlos geblieben war. KARL III. suchte damit wohl nach einer Möglichkeit, seinem Sohn Bernhard die Nachfolge zu sichern. Darauf deutete die vermutliche Überarbeitung und Umdatierung einer Urkunde hin, die wohl erst 873 anläßlich einer Dotierung der Richgardis ausgestellt wurde. Mit Richgardis selbst scheint sich KARL III. auf einen Kompromiß geeinigt zu haben, denn er zwang seine Gattin nicht zu einem Schuldbekenntnis, wie etwa Lothar II. Teutberga. Richgardis eröffnete dem Königsgericht vielmehr, daß ihre Ehe mit KARL III. nie vollzogen worden wäre und lieferte damit ein anderes, für sie vorteilhafteres Argumentt zu einer rechtmäßigen Auflösung der Ehe. Nach der Scheidung zog Richgardis sich in ein Kloster zurück, jedoch nicht als Gefangene, sondern als dessen Äbtissin. Einen sonderlichen Erfolg zeitigte KARLS III. Trennung von Richgardis allerdings nicht. Der Herrscher konnte weder seinen Sohn Bernhard legitimieren, noch eine andere Ehe schließen. Auch die Entfernung Liutwards vom Hof scheint sde gegnern des Kaisers mehr genützt zu haben, als diesem selbst KARL III. wurde bald nach seiner Scheidung gefangengenommen und abgesetzt.
Geuenich, Dieter: Seite 106-109, "Richkart, ancilla dei de caenobio Sancti Stephani. Zeugnisse zur Geschichte des Straßburger Frauenklosters St. Stephan in der Karolingerzeit."
Auf der Suche nach der Person der Listenersten in dem nach Reichenau versandten Namensverzeichnis des Straßburger Frauenkonvents, die wir auch ohne den Zusatz abbatissa als Leiterin der Gemeinschaft in den 840-er Jahren ansprechen dürfen, wird man angesichts des Namens Richkart sofort an die spätere Gemahlin KARLS III. denken, deren Heimat ebenfalls das Elsaß war. Sie entstammte dem Grafengeschlecht der "ERCHANGARE", die in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in Rivalität mit den ETICHONEN um politischen Einfluß im Elsaß rangen. Anläßlich eines Gütertausches im Jahre 828 zwischen Abt Waldo von Schwarzach und Graf Erchanger, dem Vater der späteren Kaiserin Richgard, erhalten wir Einblick in die Familie dieses elsässischen Adelsgeschlechts. Demnach hatte Graf Erchanger drei Brüder namens Worad, Bernald und Bernard; seine Mutter hieß Rotdrud, und sein Vater, der denselben Leitnamen Erchanger trug und vor ihm die Grafenwürde innehatte, war, wie Michael Borgolte vermutet, zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.
Es ist hier nicht der Platz, die Auswirkungen zu schildern, welche die wechselnden politischen Ereignisse und Konstallationen im Reich im zweiten Drittel des 9. Jahrhunderts für das Elsaß sowie für die ETICHONEN und ERCHANGARE, die in die Auseinandersetzungen dieser Zeit einbezogen waren, im einzelnen mit sich brachten. Offensichtlich gab es Phasen, in denen Graf Erchanger sich der Gunst LOTHARS I. erfreute und von ihr profitierte, wie im Jahre 843, als er vom Kaiser propter sue fidelitatis meritum quasdam res iuris nostri in pago Helisancensi, und zwar die villa Kinzheim bei Schlettstadt, erhielt. Elf Jahre später scheint er in Gegensatz zum Kaiser geraten zu sein, da dieser nun aus demselben Königsgut die zum Kloster Saint-Denis gehörige Zelle Leberau dotierte.
Als jedoch Ludwig der Deutsche seit den 50-er Jahren seien Westpolitik intensivierte und sein Interesse am Elsaß nachdrücklich bekundete, war es schließlich Erchanger, der ihm die Gelegenheit zum "Brückenschlag" ´über den Oberrhein bot. Die Vermählung des jüngsten Königssohnes KARL, der seit 859 als Rektor im Breisgau amtierte, mit Erchangers Tochter Richgard ermöglichte Ludwig dem Deutschen 861/62 die angestrebte Einflußnahme im Elsaß.
Es ist nun keineswegs gesichert - und kann wohl auch nicht bewiesen werden -, daß diese Richgard mit der Listenersten unserer Straßburger Gedenkliste identisch ist, die von der Frauengemeinschaft St. Stephan auf die Insel Reichenau übersandt wurde. Die Gleichheit des Namens und die Position der Familie der ERCHANGARE im Elsaß sind aber immerhin zwei triftige Argumente, die diese Vermutung zu stützen vermögen. Wenn wir die an der Spitze der zeitlich früheren, in St. Gallen überlieferten Liste genannte Adalheid abbatissa mit der Tochter des Hugo von Tours aus dem Hause der ETICHONEN, der Stifterfamilie des Stephansklosters also, identifizieren und an der Spitze der 5-10 Jahre später aufgezeichneten Liste derselben Kommunität genannte Richkart als die Tochter des Grafen Erchanger ansehen, dann müßte sich ein Wechsel der politischen Stellung der beiden Adelsgeschlechter in der Leitung der Straßburger Frauengemeinschaft niedergeschlagen haben.Da wir die beiden Namenslisten nur relativ datieren können, läßt sich der Zeitpunkt dieses Wechsels leider nicht ermitteln.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß der dritte oben erwähnte Name einer Straßburger Äbtissin Ruaddrud, den die verfälschte Urkunde LOTHARS I. für St. Stephan/Straßburg zum Jahre 845 nennt, mit dem der 828 bezeugten Großmutter Richgards, der Frau des kurz zuvor verstorbenen ersten Grafen Erchanger übereinstimmt. Damit wäre es möglich, alle drei Äbtissinnen den beiden bedeutendsten Adelsgeschlechtern im karolinger-zeitlichen Elsaß zuzuweisen und mit herausragenden Persönlichkeiten zu identifizieren: mit Adelheid, der (späteren) Gemahlin des WELFEN Konrads I., mit Rottrud, der Gemahlin Erchangers, und mit Richgard, der späteren Gemahlin Kaiser KARLS III., die sich als Kaiserin im SW des Reiches ein "alemannisches Kloster-Imperium" schuf und sich als Witwe schließlich in das ihr als Morgengabe übertragene elsässische Kloster Andlau zurückzog.
Aug. 862 oo KARL III. DER DICKE 839-13.1.888
Literatur:
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